Mit 103 zu 76 Stimmen bei elf Enthaltungen nahm die grosse Kammer am Donnerstag einen Antrag ihrer Finanzkommission an, den vom Bundesrat beantragten Nachtragskredit auf 66,45 Millionen Franken zu kürzen.
Nun muss sich der Ständerat ein zweites Mal mit dem Kompromissvorschlag befassen, der ursprünglich von seiner eigenen Finanzkommission stammt. Die zuständige Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) darf damit weiter auf eine Lösung hoffen.
Ein taktischer Schachzug
Der Beschluss des Nationalrats ist als taktischer Schachzug zu verstehen. Denn die grosse Kammer hatte in der ersten Woche der Sommersession eigentlich schon den gesamten Kredit von 132,9 Millionen Franken gutgeheissen.
Der Ständerat dagegen lehnte den Nachtragskredit bei der ersten Beratung ab - und im zweiten Anlauf am Dienstag mit 23 zu 19 Stimmen auch den Vorschlag, nur die Hälfte der Gelder zu bewilligen. Jetzt liegt die Idee wieder auf dem Tisch.
Kantone beharren auf eigene Reserven
Der Bund möchte auf Grundstücken der Armee Wohncontainer aufstellen, um im Falle eines Anstiegs der Asylgesuche im Herbst gewappnet zu sein. Die Gegner des Vorhabens argumentieren, zunächst sollten die bestehenden Plätze in Zivilschutzanlagen genutzt werden. Umstritten ist, ob der Bund auf diese Plätze zurückgreifen können soll. Die Kantone machen geltend, sie bräuchten sie selbst als Reserve.
Der ursprüngliche Plan des Staatssekretariats für Migration (SEM) sieht vor, 3000 zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen. Die Massnahme ist auf drei Jahre befristet.
Im Herbst droht Notrecht
Die Errichtung der Containerdörfer nehme etwa vier Monate in Anspruch, sagte Mehrheitssprecherin Sarah Wyss (34, SP). Handle man heute nicht, bestehe die Gefahr, dass man im Herbst zu Notrecht greifen müsse.
Eine Minderheit der Finanzkommission des Nationalrats wollte auf die Linie des Ständerats einschwenken. Es bestehe noch keine Notlage, sagte FDP-Nationalrat Peter Schilliger (64). Nun ohne Baubewilligung Anlagen zu bauen, reize den rechtlichen Rahmen stark aus. Es seien weitere Abklärungen nötig.
«Man kann doch nicht die Augen vor der Realität verschliessen», widersprach Claudia Friedl (62) von der SP. Im Budget sei man von 16'000 Asylgesuchen im laufenden Jahr ausgegangen, derzeitige Prognosen gingen aber von deutlich mehr aus. Die Weigerung, den Betrag zu erhöhen, löse keine Probleme. Ein solches Vorgehen spiele nur der SVP in die Hände, sagte Friedl an FDP und Mitte gerichtet.
Der Kompromissvorschlag sei geeignet, eine angespannte und alarmierende Situation zu deblockieren, sagte GLP-Nationalrat Michel Matter (58).
Erst alle anderen Optionen ausschöpfen
Die SVP unterstützte den Minderheitsantrag. Die Schweiz könne nicht einfach immer mehr Menschen aufnehmen, sagte Sandra Sollberger (49). Und bevor man teure neue Anlagen baue, müssten alle anderen Optionen ausgeschöpft werden.
Auch die Freisinnigen stellte sich gegen den Nachtragskredit. Es zeichne sich für das laufende Jahr kein Mangel an Plätzen an, sagte Alex Farinelli (41).
Die Mitte-Fraktion war gespalten. Fraktionssprecher Heinz Siegenthaler (67) gestattete sich aber die persönliche Bemerkung, es gehe um Menschen, und nicht um «heisse Kartoffeln, die man hin und herschieben kann, um gemütlich zum Wahlsieg zu reiten».
Einigen sich die Räte nicht, ist in diesem Fall der Ständerat am längeren Hebel. Beharrt er in den kommenden Beratungen auf seinem Nein zum Nachtragskredit, setzt er sich durch. Dies, da sein Beschluss weniger Ausgaben vorsieht. (SDA/dba)