Heute Morgen kam es im Nationalrat beim Bundessteuergesetz zum Schlagabtausch ums richtige Familienmodell. Der Bundesrat wollte nämlich den maximalen Steuerabzug für die Kinderbetreuung durch Kinderkrippen oder Tagesmütter von heute 10'100 Franken auf 25'000 Franken erhöhen. Auch in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission hat sich eine Mehrheit hinter das Anliegen gestellt, mit welchem insbesondere Müttern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert werden soll.
SVP wollte Kinder-Pauschale von 31'500 Franken
Das rief die Verfechter des traditionellen Familienmodells auf den Plan. Eine von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40, ZG) angeführte Minderheit verlangte, dass der 25'000-Franken-Abzug auch jenen Familien zugute kommt, die ihre Kinder selbst betreuen. Der Antrag war so formuliert, dass alle Eltern pauschal 25'000 Franken für die Betreuung abziehen könnten – und das pro Kind.
Zusammen mit dem allgemeinen Kinderabzug von heute 6500 Franken wäre die Kinder-Pauschale de facto auf 31'500 Franken gestiegen – ohne dabei die effektiven Kosten zu berücksichtigen.
SVP-Aeschi: «Für traditionelle Familie»
«Wir setzen uns für die traditionelle Familie ein», sagte Aeschi im Vorfeld zu BLICK. «Ein Abzug nur für Fremdbetreuung diskriminiert das traditionelle Familienmodell, das lehnen wir ab.» Werden die Kinder durch die eigene Familie betreut, entgehe den Eltern ein «fiktiver Lohn», rechtfertigte Aeschi den Antrag. Dass sie daher denselben Abzug tätigen dürften, sei nur fair. «Sonst haben wir am Schluss nur noch Staatskinder», warnte Aeschi.
Damit befeuerte er auch einen alten SVP-Kampf ums richtige Familienbild: So verlangte die SVP bereits vor Jahren mit ihrer Familieninitiative die Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenbetreuung – an der Urne blitzte sie damit 2013 aber mit 59 Prozent Nein-Anteil deutlich ab.
Breite Front dagegen
Das damalige Abstimmungsresultat wurde Aeschi in der Debatte denn auch um die Ohren geschlagen. Und so erlitt die SVP-Forderung erneut Schiffbruch, denn die übrigen Fraktionen lehnten diese ab. «Damit würden Haushalte, die für die Fremdbetreuung bezahlen müssen, wirtschaftlich schlechter gestellt», erklärte SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (60, LU) dazu. Damit werde das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt. Und: «So würden über das Steuerrecht traditionelle Familienmodelle gefördert.»
Auch bei der FDP winkte man ab: «Ein Pauschalabzug für jegliche Betreuungsform hätte den Effekt eines Giesskannenprinzips», monierte FDP-Chefin Petra Gössi (43, SZ). Schon jetzt sei die Erwerbstätigkeit beider Eltern gegenüber dem Einverdienermodell wegen der Fremdbetreuungskosten und der Progression finanziell unattraktiv. Mit dem SVP-Vorschlag werde die Fremdbetreuung noch unattraktiver gemacht. Und vor allem werde damit auch «kein positiver Arbeitsanreiz geschaffen».
Im Nationalrat fiel der SVP-Vorschlag mit 116 zu 74 Stimmen durch.
CVP-Kutter setzt sich durch
Nicht mal bei der CVP gab es gross Unterstützung. Die Fraktion lehnte den Minderheitsantrag ab, obwohl einzelne Vertreter – zum Beispiel der Luzerner Nationalrat Leo Müller (60) – ihn unterstützten. «Für mich geht es darum, die Eigenbetreuung der Familie zu honorieren», so Müller. Dafür gebe es in der CVP durchaus Sympathien, doch die jetzige Formulierung sei nicht ganz geglückt, räumte Müller ein. «Sie führt zu einem Pauschalabzug ohne Kostennachweis», erklärte er die Ablehnung seiner Fraktion.
Stattdessen schlug die CVP eine weitere Variante vor: Sie unterstützte den Fremdbetreuungsabzug, wollte aber auch gleich den allgemeinen Kinderabzug von heute 6500 Franken auf 10'000 Franken pro Kind erhöhen. Den entsprechenden Einzelantrag brachte CVP-Nationalrat Philipp Kutter (43, ZH) ein. «Die Betreuung von Kindern ist so teuer wie noch nie. Ich will erreichen, dass alle Familien entlastet werden», erklärte er dazu. In vielen Kantonen seien die allgemeinen Kinderabzüge bereits erhöht oder eine Erhöhung geprüft worden. «Der Bund sollte nachziehen.»
Kutter rechnete sich im Vorfeld gute Chancen für seinen Vorschlag aus. Und bekam Recht: Der Nationalrat stimmte der Erhöhung mit 100 gegen 92 Stimmen zu. SVP-Finanzminister Ueli Maurer (68) warnte vergeblich vor Steuerausfällen von gut 350 Millionen Franken pro Jahr.
Gesamtvorlage kommt deutlich durch
In der Gesamtabstimmung kam die Vorlage mit 131 zu 48 Stimmen bei 14 Enthaltungen deutlich durch.
Abgelehnt wurde das Geschäft vom links-grünen Lager. Die Linke sagt aus grundsätzlichen Überlegungen Nein zum höheren Betreuungsabzug, da von diesem Gutverdienende viel stärker profitieren. «Die Grundkosten eines Kindes sind gleich hoch, egal, ob die Eltern ein hohes oder tiefes Einkommen haben», so SP-Frau Birrer. Diese SP setzt sich daher «für ein einfaches und gerechtes Gutschrift-System ein, bei dem jede Familie, unabhängig von Lebensform und Einkommen, für jedes Kind eine Gutschrift erhält». Die SP verlangte aber vergeblich die Rückweisung des Geschäfts an den Bundesrat, um eine neue Vorlage in ihrem Sinne aufzugleisen.
Jetzt kommt das Geschäft in den Ständerat.