Wer einmal eine Sitzung des Nationalrats live im Saal oder vor den Bildschirmen mitverfolgt hat, dem fällt auf: Jemand spricht vorne am Rednerpult, und das Plenum hört schon beinahe demonstrativ weg. Der Lautstärkepegel ist stets hoch. Manche arbeiten am Laptop, andere unterhalten sich. Immerhin sind diese Leute im Saal zugegen. Andere verschlägt es in die Wandelhalle oder auf die Raucherterrasse – fernab von der Diskussion im Saal.
Cédric Wermuth (31) glaubt die Ursache zu kennen: «Die Debatten sind derzeit zu kategorisiert, zu organisiert. Manchmal nur noch Ablesen des Protokolls.» Spontane Auseinandersetzungen seien kaum mehr möglich, so Wermuth. Der Nationalrat sei zu einem puren Arbeitsrat verkommen, wo es nicht mehr um den Wettbewerb der Argumente gehe, moniert er.
Und das trifft auch zu, meistens jedenfalls. Oftmals äussern sich nämlich nur die Spezialistinnen und Spezialisten der entsprechenden Kommissionen zu den Geschäften. Und dann wird abgestimmt. «Der Nationalrat nickt immer mehr nur noch ab, was in der Kommission entschieden wurde. Eine Debatte findet im Plenum nicht mehr statt.» Wermuth fordert deshalb mehr Zeit ein: «Ich wünsche mir mehr offene Debatten.»
Antwort des Büros: Nicht praktikabel
Die Antwort des nationalrätlichen Büros formulierte Dominique de Buman (61) von der CVP. In seiner Rede zum Sessionsabschluss am Freitag im Nationalrat wies er darauf hin, dass der Wettbewerb der Ideen funktioniere, spontane Auseinandersetzungen während den Sitzungen aber schlicht nicht praktikabel seien.
Nach diesem Votum wurde abgestimmt. Keine Grundsatzdebatte geführt. Es geschah also, was Wermuth kritisiert, was die Mehrheit des Parlaments aber beibehalten will. Mit 125 zu 58 Stimmen lehnte die Mehrheit das Geschäft ab. Wermuth hatte im Vorfeld damit gerechnet, dass er mit seinem Vorstoss keine offenen Türen einrennt. Er sollte recht behalten.