Nationalräte ringen um Lösung für Geschäftsmieten
Neuer Anlauf für Mieterlass

Die nationalrätliche Wirtschaftskommission ringt am Dienstag um eine Lösung für den Mieterlass für die wegen Corona zwangsgeschlossene Betriebe. Ein Neuanlauf für den 70-Prozent-Mieterlass steht zur Debatte.
Publiziert: 12.05.2020 um 12:35 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 07:30 Uhr
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SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi wehrt sich gegen staatliche Eingriffe bei der Geschäftsmieten-Frage.
Foto: keystone-
Ruedi Studer

Der Streit um einen Corona-Mieterlass für Geschäftsläden geht in eine neue Runde. In der Sondersession hatte der Ständerat eine Kompromissvariante vorgelegt, die für Kleinbetriebe einen Mieterlass von je maximal 5000 Franken für zwei Monate vorgesehen hatte. Diese Regel würde für Bruttomieten bis maximal 8000 Franken gelten – was über 80 Prozent der Betriebe betrifft.

Trotzdem ist in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission ein hartes Ringen um den Vorschlag programmiert. Denn der Nationalrat hatte in seiner Motion gefordert, dass alle wegen der Corona-Krise zwangsgeschlossenen Geschäfte nur 30 Prozent ihrer Miete bezahlen müssten – den Rest müssten die Vermieter tragen. Eine einheitliche Lösung für alle Betriebe also. Auch für mittlere und grössere, die sich sonst einen Mieterlass vor Gericht erstreiten müssen.

Rechte gegen staatlichen Eingriff

Die Wirtschaftskommission berät den Ständeratsvorschlag am Nachmittag – mit mehreren Optionen.

Den Vorstoss gleich ganz ablehnen und an die Gerichte delegieren wäre die Lieblingsvariante von SVP und FDP. «Das heutige Recht verlangt bereits eine Vertragsanpassung für Mieter in Not, wenn sich die Umstände nach Vertragsabschluss grundsätzlich ändern», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) zu BLICK. «Somit wäre ein solch massiver staatlicher Eingriff in alle Mietverhältnisse und damit in die Eigentumsrechte nicht gerechtfertigt.» Mieter und Vermieter müssten auf das jeweilige Mietverhältnis zugeschnittene Lösungen finden. «Sonst öffnen wir die Büchse der Pandora.»

Grünen-Rytz will Ständeratsvorschlag sistieren

Eine weitere Option: Die Kommission stimmt der Ständeratsvariante zu, unter dem Motto «Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach». Insbesondere die Linke müsste da über ihren eigenen Schatten springen. Aber auch Teile der CVP, denn deren National- und Ständeräte sind in dieser Frage völlig zerstritten. Viele Nationalräte sind verärgert über das Vorgehen des Ständerats, der die nationalrätliche Motion bis zur Unkenntlichkeit geändert hat.

Die Ständeratslösung ist eine Kröte, die viele nur im Notfall schlucken möchten.«Ein totaler Mieterlass ist vom Prinzip her falsch, ich habe Mühe mit dieser Idee», sagt CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (57, TI).

Um am Schluss nicht mit leeren Händen dazustehen, sucht Mitte-links nach einem Ausweg. Grünen-Chefin Regula Rytz (58, BE) will den Verhandlungen Luft verschaffen und beantragt deshalb, den Ständeratskompromiss zu stistieren. «Wir müssen einen neuen Anlauf nehmen und eine Lösung auf den Tisch bringen, welche auch der Ständerat mittragen kann», so Rytz. Noch laufen die Gespräche. «Sollten wir keinen Neustart schaffen, können wir immer noch auf die Ständeratslösung zurückkommen», so Rytz. Denn: «Eine Nulllösung kommt nicht in Frage. Sonst kommt es zu einer Konkurswelle.»

CVP-Regazzi bringt neuen Vorschlag ein

Eine dritte Option wäre ein Neustart. Das heisst: Die nationalrätliche Wirtschaftskommission müsste eine neue Motion einreichen – denn den Ständeratskompromiss kann sie nur annehmen oder ablehnen, aber nicht mehr abändern.

Ein Vorschlag für den Neustart kommt aus der CVP. Fabio Regazzi hat einen Antrag eingereicht, der sich an der ursprünglichen Variante des Nationalrats orientiert. Er will das Verhältnis von 70 Prozent zulasten der Vermieter und 30 Prozent zulasten der Mieter wieder aufnehmen – allerdings eine Obergrenze setzen.

«Die Regelung würde für Bruttomieten bis maximal 20'000 Franken gelten», so Regazzi. «Zudem möchte ich für Mieten zwischen 15'000 und 20'000 eine Opting-Out-Klausel für die Vermieter ermöglichen, wenn diese mit der Aufteilung nicht einverstanden sind.» Zudem sieht er auch einen Härtefallfonds für Vermieter vor.

Allerdings seien die Gespräche noch voll am Laufen, bis am Nachmittag könne sich noch einiges ändern. «Allenfalls werde ich meine Anträge noch anpassen», so Regazzi. «Wir müssen aber einen Weg aus der Sackgasse finden.»

SP-Badran hält Mietausfall für verschmerzbar

Auch SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (58, ZH) setzt sich vehement für einen solchen Neustart ein. «Damit verhindern wir eine Prozesslawine», ist sie überzeugt. Vor Gericht hätten die Mieter nämlich gute Chancen, dass ihnen sogar 80 bis 100 Prozent der Miete erlassen würden. «Der Nationalratsvorschlag ist bereits ein austarierter und fairer Kompromiss», so Badran. «Alle wichtigen Branchenverbände stehen hinter dieser Lösung.»

Für die Vermieter sei der Ausfall auch zu verschmerzen, so Badran, denn dieser sei minim. «In den meisten Geschäftshäusern befinden sich die Läden im Parterre, darüber kommen Büroräumlichkeiten und Wohnungen – die Vermieter haben also schon wegen dieser Mischnutzung keinen grossen Mietausfall.»

Vom Mieterlass seien maximal ein Fünftel der Mieten betroffen, rechnet sie vor. Und er sei zeitlich auf zwei Monate begrenzt. «Auf das ganze Jahr gesehen sind wir also noch bei rund 2 Prozent Mietausfall, welchen die Vermieter tragen müssten. Dass wir noch immer darüber diskutieren, ist doch ein Witz.»

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