Was lernen Jus-Studenten schon zu Beginn des Studiums? «Den Bürgen kannst du würgen.» Wie sehr das zutrifft, muss die Schweiz gerade schmerzhaft erfahren: Denn schon wieder muss der Bund für eine Hochseeflotte einspringen, für die sie eine Bürgschaft eingegangen ist. Dazu bettelt der Bundesrat beim Parlament um einen Nachtragskredit von 129 Millionen Franken. Vor zwei Jahren hatte das Parlament bereits einen fast doppelt so hohen Nachtragskredit für die Hochseeflotte unter Schweizer Flagge gesprochen.
Dass der Bund überhaupt Bürgschaften für Hochseeschiffe gewährte, hat historische Gründe: Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam es auch hierzulande zu Versorgungsengpässen. Um die Versorgung dennoch sicherzustellen, setzte das Binnenland Schweiz auf den Weltmeeren Schiffe unter eigener Flagge ein.
Schiffe machten Probleme
Lange hatte die Landesregierung das Risiko unterschätzt, das die Bürgschaften für die Hochseeflotte mit sich brachte. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 geriet die Hochseeschifffahrt jedoch weltweit in die Krise – mit den nun bekannten finanziellen Folgen für die Schweiz. Gerät ein Flottenunternehmen in Zahlungsschwierigkeiten, muss die Schweiz aufgrund ihrer Bürgschaften sofort einspringen.
Bluten muss die Schweiz diesmal für Solidarbürgschaften für acht Schiffe der Freiburger Firma Massmariner. Schon seit Januar 2019 häuften sich die betrieblichen Probleme bei Massmariner-Schiffen. Mehrfach durften sie nicht auslaufen, weil sie ungenügend gewartet waren. Zudem zahlte die Firma die Löhne wiederholt verspätet aus. Diese Probleme sprachen sich herum und sorgten zunehmend für ein negatives Image für die ganze Flotte unter Schweizer Flagge.
Schon 300 Millionen Franken Schaden
Der Bund hofft nun, dass alle acht Massmariner-Schiffe veräussert werden können. Der Verkaufsprozess für die Schiffe ist bereits im Gang. Per Mitte Oktober wurde man bereits zwei Schiffe los. Laut Plan sollten bis Ende Jahr mindestens zwei weitere Schiffe veräussert sein. Ziel sei es, auch die restlichen Schiffe der Massmariner-Flotte so rasch wie möglich abzustossen. Der Bundesrat rechnet aber mit einem Verkaufsverlust von 100 Millionen Franken.
Das Parlament hatte im Juni 2017 schon für die SCL- und SCT-Schiffsgesellschaften einen Nachtragskredit in der Höhe von 215 Millionen Franken gesprochen. Damals ging es um Bürgschaften im Umfang von 254 Millionen für insgesamt 13 Hochseeschiffe. Für diese Bürgschaften soll der Verlust damals bei 200 Millionen Franken gelegen haben. Zusammen mit dem neuerlichen Verlust für die Massmariner-Schiffe dürfte sich der Schaden aus den Schiffsbürgschaften damit auf 300 Millionen Franken summieren.
Es kann noch schlimmer kommen
Und es könnte noch viel teurer werden. 2016 verfügte die Schweiz noch über 47 Hochseeschiffe. Für diese stand der Bund damals mit Bürgschaften in der Höhe von 794 Millionen Franken gerade. Per Mitte Oktober diesen Jahres zählt der Bund noch 26 Schiffe unter Schweizer Flagge, die er mit Bürgschaften über gut 500 Millionen Franken absicherte. Ohne die noch verbliebenen Massmariner-Schiffe hat die Schweiz noch immer Bürgschaftsverpflichtungen über 374 Millionen Franken für 20 Hochseeschiffe zu schultern.
Zwar erteilt die Schweiz keine neuen Bürgschaften für Hochseeschiffe mehr, doch sobald eine weitere Betreiberin von Schiffen unter hiesiger Flagge in finanzielle Schwierigkeiten gerät, müsste die Eidgenossenschaft wieder das Portemonnaie öffnen. (sda/pt)