BLICK kämpft an vorderster Front für das Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung. Und damit für das Recht aller Bürger auf einen unkomplizierten Zugang zu amtlichen Dokumenten. Letztes Jahr wagte BLICK sogar den Gang ans Bundesverwaltungsgericht, um für einen rascheren Zugang zu Behördeninformationen einzustehen. Im konkreten Fall ging es um den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), der die Herausgabe von Zahlenmaterial unnötig verzögerte.
Jetzt liegt das Urteil vor: Und die Richter geben BLICK recht! Sie kommen zum Schluss, dass der NDB den Zugang zu den Zahlen «zu Unrecht verwehrt, respektive den Zugang ungerechtfertigterweise aufgeschoben hat».
EDÖB: «Zeitfaktor ist entscheidend»
Das Urteil bedeutet einen Sieg für das Öffentlichkeitsprinzip (siehe Kasten). Es stärkt damit auch dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) Adrian Lobsiger (58) den Rücken. In Streitfällen wird er als Schlichter eingesetzt – und engagiert sich dabei für einen raschen und unkomplizierten Zugang zu amtlichen Dokumenten.
Kein Wunder also, freut er sich über den Richterspruch: «Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung und könnte Signalwirkung für eine zeitnahe Beantwortung von Zugangsgesuchen haben», sagt er auf Anfrage. «Im vorliegenden Fall hat das Gericht dem Versuch der Verwaltung, den zeitgerechten Zugang der Bevölkerung zu amtlichen Informationen mit künstlich anmutenden Argumenten zu verzögern, in Übereinstimmung mit unserer Empfehlung eine Absage erteilt.»
Ein rascher Zugang sei insbesondere für Medienschaffende wichtig, so Lobsiger. «Für sie ist der Zeitfaktor entscheidend.» Von einer zeitnahen Berichterstattung profitiere aber die Öffentlichkeit als Ganzes, betont der EDÖB. Und: «Ein rascher Zugang ist auch dem Vertrauen in die Verwaltung zuträglich. Es profitieren deshalb alle.»
Es ging um Asylzahlen
Am Anfang der ganzen Geschichte standen zwei nackte Zahlen. BLICK wollte letztes Jahr vom NDB wissen, wie viele Asylgesuche er 2016 angesichts der latenten Terrorgefahr in Europa unter die Lupe genommen hat. Ebenso, wie viele Gesuche er aus Sicherheitsbedenken zur Ablehnung empfohlen hat.
Eine kleine Anfrage, wie sie Journalisten täglich zu Dutzenden an die Behörden stellen. Dass sie schliesslich ein Fall fürs Bundesverwaltungsgericht wurde, kam so: Schon ein Jahr zuvor hatte sich BLICK beim NDB um die aktuellen Zahlen für 2015 gebeten. Die Antwort kam rasch und unkompliziert innert weniger Stunden.
Ganz anders ein Jahr später. Nun sprach der NDB davon, im Vorjahr einen «Fehler» gemacht zu haben. Und er erklärte die Bundeskanzlei für zuständig. Diese publiziere die Zahlen im bundesrätlichen Geschäftsbericht – man solle sich doch bitte bis zur Publikation gedulden. Und zwei Monate warten.
Gegen geheimdienstliche Verzögerungstaktik
Journalisten wollen und müssen aber aktuell berichten, mit aktuellem Zahlenmaterial. BLICK nahm die geheimdienstliche Verzögerungstaktik deshalb nicht hin und wurde beim EDÖB vorstellig. Dieser gab BLICK Recht: Er erklärte den NDB für zuständig und wies ihn an, die Zahlen «unverzüglich – das heisst noch vor der geplanten Veröffentlichung des Geschäftsberichts des Bundesrats» herauszurücken. Lobsiger betonte damals schon: «Der gesetzgeberische Wille verlangt nach einem raschen Zugang.»
Lobsigers Empfehlung lief ins Leere. Der Geheimdienst verweigerte die Herausgabe erneut. Die Krux an der Sache: Mittlerweile war der Geschäftsbericht samt Zahlen tatsächlich veröffentlicht worden. Doch die Grundsatzfrage blieb bestehen: Ist die Verzögerungstaktik der Behörden rechtens? Um diese Frage zu klären, blieb BLICK nur der Gang an die nächste Instanz, das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen.
23-seitiges Urteil
In seinem 23-seitigen Urteil seziert dieses nun die wacklige Argumentation des Geheimdienstes und erteilt ihm Mal ums Mal einen Rüffel. Das dreiköpfige Richtergremium macht deutlich, dass es sich bei den fraglichen Zahlen um ein «eigenständiges amtliches Dokument» handelt, für welches der NDB als Ersteller zu gelten hat – und nicht etwa die Bundeskanzlei oder gar der Bundesrat. Die Zahlen würden nämlich in erster Linie im Rahmen der «Auftragserfüllung im Interesse des Staatsschutzes gewonnen».
Dass das Zahlendokument als Teil des bundesrätlichen Mitberichtsverfahrens anzusehen sei, wie der NDB moniert, widerlegt das Gericht ebenfalls. Es sei «nicht ersichtlich, wie sich die mathematisch erhobenen Zahlen im Entscheidfindungsprozess des Bundesrats verändern könnten», halten die Richter süffisant fest.
Zieht der NDB das Urteil weiter ans Bundesgericht?
Der Ball liegt nun beim NDB. Ob er das Urteil akzeptiert, ist offen. Ihm bleibt der Weiterzug ans Bundesgericht in Lausanne als Option. «Der NDB wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nun analysieren und anschliessend über das weitere Vorgehen entscheiden», sagt Sprecherin Carolina Bohren. Für eine Beschwerde bleiben bis 30 Tage nach der Urteilseröffnung Zeit.
Sollte das Urteil nicht angefochten und damit rechtskräftig werden, wäre laut EDÖB Lobsiger «ein weiteres rechtsstaatliches Zeichen gesetzt, wonach der Zugangsanspruch der Bevölkerung rasch und unkompliziert erfüllt werden muss».
Seit 1. Juli 2006 gilt beim Bund das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung. Das heisst: Grundsätzlich stehen amtliche Dokumente allen Bürgern offen. Die Idee dahinter ist, dass die Bürger Bescheid darüber wissen, was die Verwaltung macht und weshalb. Mit der grösseren Transparenz soll auch das Vertrauen in den Staat und Behörden gestärkt werden.
Wer Zugang zu amtlichen Dokumenten erhalten möchte, muss dafür ein Gesuch stellen. In Streitfällen ist der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) als Schlichtungsstelle zuständig.
Allerdings: Nicht alle amtlichen Dokumente sind öffentlich. In einigen Ausnahmefällen kann der Zugang beschränkt, aufgeschoben oder ganz verweigert werden. Zum Beispiel, wenn die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet, die aussenpolitischen Interessen oder die internationalen Beziehungen der Schweiz beeinträchtigt werden könnten. Die Ausnahmen sind im Gesetz geregelt. (rus)
Seit 1. Juli 2006 gilt beim Bund das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung. Das heisst: Grundsätzlich stehen amtliche Dokumente allen Bürgern offen. Die Idee dahinter ist, dass die Bürger Bescheid darüber wissen, was die Verwaltung macht und weshalb. Mit der grösseren Transparenz soll auch das Vertrauen in den Staat und Behörden gestärkt werden.
Wer Zugang zu amtlichen Dokumenten erhalten möchte, muss dafür ein Gesuch stellen. In Streitfällen ist der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) als Schlichtungsstelle zuständig.
Allerdings: Nicht alle amtlichen Dokumente sind öffentlich. In einigen Ausnahmefällen kann der Zugang beschränkt, aufgeschoben oder ganz verweigert werden. Zum Beispiel, wenn die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet, die aussenpolitischen Interessen oder die internationalen Beziehungen der Schweiz beeinträchtigt werden könnten. Die Ausnahmen sind im Gesetz geregelt. (rus)