Nachfolge im Bundesrat
Viola Amherd in der Pole-Position

Die Walliser Nationalrätin hat gute Chancen, wenn Doris Leuthard alleine abtritt. Geht aber auch Johann Schneider-Ammann, ist das Rennen offen.
Publiziert: 30.10.2017 um 14:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:00 Uhr
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Gibt sich über eine mögliche Bundesrats­kandidatur noch verhalten: Viola Amherd.
Foto: Keystone
Marcel Odermatt

Es wird einer der schwierigsten Kämpfe ihrer langen Bundesratskarriere: Medienministerin Doris Leuthard (54) soll die No-Billag-Initiative bodigen. Die kommt zwar erst am 4. März 2018 zur Abstimmung, doch das Rennen ist bereits in vollem Gange. Spätestens, seit der Gewerbeverband diese Woche die Ja-Parole beschlossen hat, ist die CVP-Magistratin voll gefordert.

Nicht wenige Beobachter im Bundeshaus können sich gut vorstellen, dass Leuthards aufreibender Einsatz für die SRG auch ihr letzter in der Landesregierung sein wird. Immerhin arbeitet die Aargauerin seit dem 1. August 2006 als Magistratin – und hat bereits klargemacht, dass sie dies höchstens bis Ende 2019 tun werde.

Sie amtet unspektakulär, aber erfolgreich

Tritt Leuthard nach ihrer Rettungsübung für den öffentlichen Sender tatsächlich im Frühling ab (und bleiben ihre Kollegen im Amt), wäre der Druck auf die Christdemokraten riesig, eine Nachfolgerin zu portieren. Für diesen Fall wäre Viola Amherd (55) eindeutig in der Poleposition: Unter der Bundeshauskuppel wird ihr von vielen der Bundesrats-Job zugetraut.

Die ledige, kinderlose Walliser Anwältin sitzt seit 2005 im Nationalrat und amtet – relativ unspektakulär, aber ziemlich erfolgreich – als Vizepräsidentin der CVP-Fraktion. Ihr Bundeshausrezept: Sie politisiert immer schön in der Mitte und hat sich in den letzten Jahren kaum Gegner gemacht.

Ihre Mandate sind idealtypisch für eine Exponentin der CVP. So arbeitet die Brigerin als Stiftungsrätin von Kinder Schutz Schweiz und Swissaid mit, als Verwaltungsrätin bei der Matterhorn Gotthard Bahn, aber auch als Präsidentin des Landschaftsparks Binntal.
Von SonntagsBlick auf ihre Ambitionen angesprochen, reagiert Amherd zurückhaltend: «Solange Frau Leuthard noch im Amt ist, denke ich nicht über eine Bundesratskandidatur nach. Das wird erst Thema, wenn unsere Bundesrätin das Datum ihres Rücktritts bekannt gibt.» Aus dem Bundeshaus-Jargon übersetzt jedoch bedeutet das: «Ich bin interessiert und könnte mir eine Kandidatur vorstellen.»

Für die Linke gibt es keinen Grund, die Walliserin aus dem Topgremium fernzuhalten

Betont staatstragend gibt Amherd die Überschwemmungskatastrophe in Brig 1993 als eines ihrer prägendsten politischen Erlebnisse an. Zwei Frauen mussten damals sterben, weil Wasser und Geröll den Schuhladen verschütteten, in dem sie arbeiteten. Die Jungpolitikerin Amherd war erst im Jahr zuvor in den Stadtrat gewählt worden – und zuständig für das Ressort Bau.

«Die Kraft der Zerstörung war schrecklich, Schlamm und Schutt lagen zwei Meter hoch in den Strassen. Von meinem Büro aus hätte man vom ersten Stock nach draussen treten können. Das lehrte mich Demut und dass die Natur immer und überall stärker ist», sagte sie später der «Schweizer Illustrierten».

Sicher ist: Schafft es Amherd, im Rennen um die Leuthard-Nachfolge anzutreten, stehen ihre Chancen bestens, auch tatsächlich gewählt zu werden. Sie ist eine Frau, sie ist keine Rechtsauslegerin: Für die Linke gibt es keinen Grund, die Walliserin aus dem Topgremium fernzuhalten. Auch ihre ausserparlamentarischen Betätigungsfelder wirken da unverfänglich, zum Teil sogar positiv.

Zahlreiche Männer könnten ihre Bundesratsträume begraben

Würde es Amherd schaffen, gäbe es natürlich auch Verlierer in ihrer Partei: Eine ganze Riege von Männern in der CVP, die sich das hohe Amt zutrauen und sich wohl auch bewerben würden, könnten ihre Bundesratsträume wohl begraben: die drei Ständeräte Pirmin Bischof (58, SO), Konrad Graber (59, LU) und Stefan Engler (57, GR), aber auch Parteipräsident Gerhard Pfister (55).

Nur ein Mann könnte diesen Konservativen noch zu Hilfe eilen: FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann (65). Tritt er zum gleichen Termin ab wie Leuthard, wäre Amherd auf einen Schlag nicht mehr in der aussichtsreichsten Position. Werden alle Karten neu gemischt, könnten die Freisinnigen Ständerätin Karin Keller-Sutter (53) aufstellen – und die Frauenfrage weniger dringlich erscheinen lassen. Würde die St. Galler Ex-Regierungsrätin gewählt oder stünde sie wenigstens auf dem Ticket, wären plötzlich wieder andere Optionen möglich – auch die, einen CVP-Mann aufzustellen. Hinter den Kulissen steigt deshalb der Druck auf den Wirtschafts-minister, seinen Rücktritt mit dem seiner Bundesratskollegin Leuthard zu koordinieren.

Hinter vorgehaltener Hand ist aus der FDP zu vernehmen, dass Schneider-Ammann mit sich ­reden lassen würde, um für eine offenere Ausgangslage bei den Bundesratswahlen zu sorgen. Gespräche über dieses Thema seien bereits im Gange. Das wäre dann der letzte Coup in Leuthards bewegter Karriere: Zumindest indirekt hätte die CVP-Politikerin dann auch noch den Abgang des freisinnigen Schneider-­Ammann orchestriert.

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