Darum gehts
- Serbischer Präsident Vucic gründet neue politische Bewegung bei Grosskundgebung
- Vucic bezeichnet Proteste als vom Ausland gesteuert gegen freies Serbien
- Mindestens 55'000 Menschen nahmen an Vucics Kundgebung in Belgrad teil
Nach wochenlangen Massenprotesten gegen seine Regierung hat der serbische Präsident Aleksandar Vucic (55) eine eigene Grosskundgebung organisiert. Vor zehntausenden Anhängerinnen und Anhängern verkündete er am Samstag in Belgrad die Gründung einer politischen Bewegung.
Auch der bosnische Serbenführer Milorad Dodik (66), gegen den ein internationaler Haftbefehl vorliegt, bekundete auf einer Bühne seine Unterstützung für Vucic. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (61) schickte eine Videobotschaft.
An der Kundgebung nahmen mindestens 55'000 Menschen teil, wie das Archiv für öffentlichen Versammlungen im Onlinedienst X mitteilte. Die Angaben der unabhängigen Gruppe bezogen sich auf die Zahl der Teilnehmenden zu Beginn der Kundgebung um 19 Uhr.
Landesweite Protestwelle
An einem von Studierenden angeführten Massenprotest gegen die Regierung am 15. März in Belgrad hatten derselben Quelle zufolge 275'000 bis 325'000 Menschen teilgenommen.
Die Protestwelle in Serbien war durch den Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad am 1. November entfacht worden, bei dem 16 Menschen ums Leben gekommen waren. Seitdem gingen im ganzen Land hunderttausende Menschen gegen Korruption und Misswirtschaft auf die Strasse. Die serbische Regierung steht wegen der Proteste stark unter Druck. Vucic bezeichnete die Proteste immer wieder als vom Ausland gesteuert.
In seiner Rede am Samstagabend bezeichnete Vucic die Protestbewegung als «einen Angriff aus dem Ausland, weil bestimmte ausländische Mächte ein freies, unabhängiges und souveränes Serbien nicht ertragen können».
Neue Bewegung
Mit seiner neuen Bewegung wolle er dem Land nun «neue Energie» verleihen, sagte Vucic. «Jeder Arbeiter, jeder Bauer ist willkommen. Jeder Mensch, der seinen Lebensunterhalt ehrlich verdient und für seine Kinder und sein Land kämpft, ist willkommen», rief er der Menge zu. Nicht willkommen seien dagegen «arrogante Politiker».
An mehreren Ständen konnten die Menschen sich der neuen Bewegung anschliessen oder einen Namen für sie vorschlagen.
Viele Teilnehmende der Kundgebung schwenkten die serbische Flagge. «Ich habe auf diesen Tag gewartet. (...) Ich bin hier, um den Sieg der Liebe und der Freundschaft zu feiern», sagte die Teilnehmerin Jadranka Milic der Nachrichtenagentur AFP.
«Diese neue Bewegung wird alle Menschen im Land vereinen, egal ob Parteimitglied, Landwirt oder einfacher Bürger», sagte Isidora Filipovic, Mitglied der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS).
«Ausländische Mächte»
Dodik sagte bei seinem Auftritt in Belgrad, Vucic sei «der einzige Mann sei, der ein starkes und mächtiges Serbien zusammenhalten kann, sowohl in der Innen- als auch in der Aussenpolitik und besonders in diesen sehr instabilen Zeiten».
Die bosnische Justiz hatte Ende März einen Haftbefehl gegen Dodik erlassen, nachdem dieser einseitig die Zuständigkeit von Justiz und Polizei des bosnischen Zentralstaates für die Republika Srpska für beendet erklärt hatte. Orban sagte in seiner Videobotschaft, «ausländische Mächte» wollten «den Serben vorschreiben, wie sie zu leben haben».
In Novi Pazar, etwa 300 Kilometer südlich von Belgrad, demonstrierten am Samstag jedoch wieder tausende Menschen gegen die Regierung. In der vergangenen Woche brachen zudem einige Dutzend Studenten mit dem Fahrrad nach Strassburg auf. Am Freitagabend wurden sie mit grossem Jubel bei einem Zwischenstopp in München empfangen.