Das Genfer Stimmvolk hat entschieden. Mit 55 Prozent der Stimmen nahm es gestern das Laizitätsgesetz an, das die Trennung von Kirche und Staat regelt. Nach hitzigen Debatten im Parlament hatten linke Kreise das Referendum gegen das umstrittene Gesetz ergriffen. Stein des Anstosses: ein Passus, der Staatsangestellten und Politikern künftig verbietet, Zeichen ihrer Religionszugehörigkeit zu tragen. Kippas, Kopftücher und Kreuze: Sie sind künftig tabu.
Politikerin gibt sich kämpferisch
Eine, die dieses Gesetz direkt betrifft, ist Sabine Tiguemounine (50). Die Krankenschwester ist Grünen-Politikerin, sitzt im Parlament der Stadt Meyrin – und die Muslima trägt als einzige Parlamentarierin im Kanton ein Kopftuch.
Sie zeigt sich nach dem Volks-Ja kämpferisch. «Sicher werde ich das Kopftuch nicht ablegen», sagt sie zu BLICK. Auch ein Rücktritt komme für sie nicht in Frage. «Ich werde meine Amtszeit beenden aus Respekt für diejenigen, die mich 2015 gewählt haben.» Das Gesetz beschneide das Mandat eines Gewählten, kritisiert Tiguemounine. «Er repräsentiert nicht den Staat, sondern die Menschen, die ihn gewählt haben.»
Muslimas fürchteten um ihren Job
Tiguemounine sieht aber nicht nur in der Politik Probleme. Sie warnt vor den Folgen, die das Gesetz für das Arbeitsleben der Betroffenen haben kann. Sie drohten ihren Job zu verlieren – und Stellen bei Arbeitgebern wie dem Unispital, den Verkehrsbetrieben, der Kantonalbank oder dem Flughafen seien künftig für einen Teil des Nachwuchses nicht mehr zugänglich.
In ihrem Umfeld erlebe sie, dass das Gesetz deshalb «viele Ängste und Unsicherheiten» auslöst, was den Alltag vieler muslimischer Frauen anbelangt. «Sie fragten sich, ob sie ihre Arbeit verlieren und wie sie eine Stelle finden werden». Für Tiguemounine ist klar: «Ihre finanzielle Autonomie, ihr sozialer Status werden sich verschlechtern.»
Die Grünen-Politikerin will das Verdikt nicht akzeptieren. Denn sie ist überzeugt, dass der umstrittene Passus gegen die Verfassung und die europäische Menschenrechtskonvention verstösst. Ihre Partei hat bereits vor der Wahl eine Beschwerde beim Verfassungsgericht des Kantons eingereicht. Über diese und eine weitere Beschwerde der Evangelischen Kirche muss das Gericht nun befinden.