Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK-N/GPK-S) haben eine entsprechende parlamentarische Initiative eingereicht, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Das Ziel sei, dass Richterinnen und Richter für Fehlverhalten sanktioniert werden können. Heute ist nur eine Amtsenthebung möglich.
Die GPK wollen künftig ein gerichtsexternes Aufsichtsgremium einführen, welches unabhängig von politischen Einflüssen ist. Dieses soll die Einhaltung der Amtspflichten der Richterinnen und Richter sicherstellen, wie es hiess. «Dies könnte ein sogenanntes Justizgericht sein, wie es bereits verschiedene Kantone kennen.»
Richter haben sich schon zu viel geleistet
In der jüngeren Vergangenheit waren Mobbing- und Sexismusvorwürfe am Bundesstrafgericht und Streitereien am Bundesverwaltungsgericht publik geworden. In verschiedenen Medienberichten wurde 2019 beispielsweise über allerlei Verstösse und Vorkommnisse am Bundesstrafgericht berichtet. Es war die Rede von übermässigen Spesen, lascher Arbeitsmoral, Sexismus, Mobbing gegen italienischsprachige Mitarbeitende und mehr.
Das Bundesgericht respektive dessen Verwaltungskommission, die die Aufsicht über erstinstanzlichen Gerichte ausübt, verfasste daraufhin einen Bericht. Die GPK des Parlaments kritisierten diesen scharf. Sie hielten etwa fest, dass den Sexismusvorwürfen nicht ausreichend nachgegangen worden und das rechtliche Gehör einzelner Personen am Bundesstrafgericht verletzt worden sei.
In der aktuellen Mitteilung schrieben die GPK, dass es an den eidgenössischen Gerichten immer wieder zu «teils gravierenden Verfehlungen von Richterinnen und Richtern» komme. Diese beträfen zwar jeweils nicht die Rechtsprechung, beeinträchtigten jedoch das Funktionieren und das Ansehen der jeweiligen Gerichte.
«Alles-oder-nichts-Verfahren ist unbefriedigend»
«Es geht nicht um richtige oder falsche Urteile, sondern um Abläufe, welche die Rechtsprechung beeinflussen können», sagte Ständerätin Marianne Binder-Keller (Mitte/AG), Präsidentin der Subkommission Gerichte der GPK-S. Die Geschäftsprüfungskommissionen hätten sich schon x-mal mit Streitereien, Mobbingvorwürfen und schlechter Stimmung an den Gerichten beschäftigen müssen.
Heute gebe es in solchen Fällen keine disziplinarischen Möglichkeiten, hielt Binder-Keller fest. «Man kann eine Person entweder nicht mehr zur Wahl vorschlagen oder nicht mehr wählen.» Aus Sicht der GPK brauche es aber weitere Sanktionsmöglichkeiten. «Das Alles-oder-nichts-Verfahren ist unbefriedigend.»
Mit einem Disziplinarsystem wollen die GPK nach eigenen Aussagen «das Vertrauen in die eidgenössischen Gerichte und deren Funktionsfähigkeit stärken». Bei der Umsetzung sei den Grundsätzen der richterlichen Unabhängigkeit, der Organisationsautonomie und der Gewaltentrennung Rechnung zu tragen.
Betroffene müssen sich wehren können
Die Details eines Disziplinarsystems und die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens sollen im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses vertieft geprüft und umgesetzt werden, hiess es in der Mitteilung. Dabei sei es zwingend, eine Rekursmöglichkeit gegen von Disziplinarmassnahmen betroffene Richterpersonen sicherzustellen. Auch ein neu geschaffenes Organ würde der verfassungsmässig vorgesehenen Oberaufsicht durch die Bundesversammlung unterstehen.
Die GPK haben zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um den verfassungsmässigen und gesetzlichen Handlungsspielraum abzuklären. Diese zeigen auf, dass die Einführung einer Disziplinaraufsicht gegenüber Richterinnen und Richter an erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichten verfassungskonform ist, wenn dabei die verfassungsmässigen Grundsätze eingehalten werden.
Von der Umsetzung der parlamentarischen Initiative am meisten betroffen wäre die Gerichtskommission der eidgenössischen Räte (GK), da sie die Wahl- und Wiederwahlvorschläge der eidgenössischen Richterinnen und Richter zuhanden der Bundesversammlung erarbeitet. Sie wurde von den GPK einbezogen und unterstützt die Idee.