Bis die Schweizer am Computer oder Smartphone abstimmen können, kann es noch dauern: Zuletzt stellte der Kanton Genf sein E-Voting-System ein, nachdem bereits die Post ihres ausgesetzt hatte. Und nun zieht auch der Bundesrat die Reissleine: Er hat entschieden, «vorläufig auf die Überführung der elektronischen Stimmabgabe in den ordentlichen Betrieb zu verzichten.»
Obwohl bereits 15 Kantone über 300 Versuche mit E-Voting durchgeführt haben. Denn im April 2017 hat der Bundesrat die Bundeskanzlei beauftragt, eine Gesetzesänderung vorzubereiten, um E-Voting ordentlich einzuführen. Das erklärte Ziel damals: Bei den Wahlen 2019 sollen mindestens zwei Drittel aller Kantone E-Voting einsetzen.
Teilrevision auf Eis gelegt
Dieser Plan ist nun endgültig gescheitert: Der Bundesrat legt die Teilrevision zur entsprechenden Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte auf Eis. Das bedeutet faktisch ein vorläufiges Aus für E-Voting.
Den Ausschlag gegeben haben die Rückmeldungen in der Vernehmlassung. Die Mehrheit der Kantone hatte sich zwar für die Überführung des E-Voting in den ordentlichen Betrieb ausgesprochen, wie der Bundesrat am Donnerstag mitteilte. Die Parteien jedoch hielten den Schritt entweder für verfrüht oder lehnten die elektronische Abstimmung grundsätzlich ab.
Nur Post-System verbleibt
Der Bundesrat habe daher beschlossen, vorerst auf die Teilrevision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte zu verzichten, schreibt er in einer Mitteilung. Die Gesetzesänderung sollte das Zulassungsverfahren für die Kantone vereinfachen und die wichtigsten Anforderungen regeln. Der Entscheid, neben der persönlichen und der brieflichen Stimmabgabe das E-Voting zuzulassen, sollte aber weiterhin bei den Kantonen liegen.
Mit seinem Entscheid trägt der Bundesrat auch den Entwicklungen der letzten Monaten Rechnung. Einerseits hatte der Kanton Genf im November 2018 angekündigt, sein E-Voting-System nicht mehr weiter zu entwickeln. Die Risiken waren für einen einzelnen Kanton zu gross geworden.
Das Genfer System war auch von den Kantonen Aargau, Bern und Luzern genutzt worden. Für die eidgenössischen Wahlen steht dieses nun nicht zur Verfügung. Damit verbleibt das von der Post entwickelte E-Voting-System. Die Post hatte dessen Quellcode im Februar 2019 offengelegt und einen Intrusionstest durchgeführt. Dabei waren schwerwiegende Mängel im Quellcode entdeckt worden.
Trotzdem: Bundesrat gibt E-Voting nicht auf
Aufgegeben hat der Bundesrat das E-Voting aber nicht. Er beauftragte die Bundeskanzlei, bis Ende 2020 mit den Kantonen eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs zu konzipieren. Ziel ist der Aufbau eines stabilen Versuchsbetriebs. Über allfällige Gesuche für die elektronische Stimmabgabe bei den Nationalratswahlen vom Oktober will der Bundesrat im August entscheiden.
Bisher sind keine solchen Gesuche eingegangen. Die Kantone, die von der Einstellung des Genfer E-Voting-Systems betroffen sind, müssen sich derzeit neu orientieren. Der Kanton Bern etwa prüft eine Zusammenarbeit mit der Post. Diese hat den Betrieb ihres E-Voting-Systems jedoch ausgesetzt, um die entdeckten Fehler zu beheben. Das E-Voting System der Post stand bisher in den Kantonen Neuenburg, Freiburg, Thurgau und Basel-Stadt im Einsatz.
Die Hürden sind zahlreich
Neben technischen Hürden müssten vor einen ordentlichen Betrieb auch noch politische Widerstände überwunden werden. Im vergangenen März ist eine Initiative für ein fünfjähriges E-Voting-Moratorium lanciert worden. Nach Ablauf der Frist könnte das Parlament das Moratorium aufheben, falls das E-Voting mindestens so sicher ist wie die persönliche Stimmabgabe.
Hinter der Initiative stehen Politiker und Politikerinnen von rechts und links, darunter der Luzerner SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter, Grünen-Nationalrat und IT-Spezialist Balthasar Glättli (ZH) und der ehemalige Waadtländer SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab. Zu den Gegner des E-Voting gehören auch die Jungparteien und der Chaos Computer Club. (pro/SDA)