Das Referendum gegen die Energiestrategie war der persönlichste Kampf des SVP-Präsidenten: Albert Rösti (49, BE) sammelte fleissig Unterschriften, weibelte auf Schweizer Strassen und Dorfplätzen Seite an Seite mit seinem Vorgänger an der SVP-Spitze, Nationalrat Toni Brunner (42, SG).
Es war alles vergebens.Mit dem klaren Votum des Stimmvolks für die Energiestrategie 2050 vor einer Woche verlängerte sich die Serie der Niederlagen für die SVP.
Die Partei hat grösste Mühe, ihre Politik zum Erfolg zu führen: Erst scheiterte die Durchsetzungs-Initiative an den Stimmbürgern, dann weigerte sich das Parlament, die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) umzusetzen. Im Februar schliesslich ging die Unternehmenssteuerreform III bachab.
Diese Woche musste die SVP erneut Schadensbilanz ziehen. Rösti jedoch übt sich in Zweckoptimismus. «Im schlimmsten Fall hätte auch ein Nein-Anteil von nur 25 Prozent rausschauen können», sagt der Berner Oberländer. Die SVP sei alleine angetreten – im Wissen, dass auch einige Bauern die Vorlage unterstützten. Darum seien die 42 Prozent Ja-Anteil eine Leistung. Und ein Signal an das Feld der Befürworter um Bundespräsidentin Doris Leuthard (54, CVP), wenn es um weitere energiepolitische Massnahmen gehe.
Jahrelang trieb die SVP die anderen Parteien vor sich her
Inhaltlich sei die Vorlage sehr komplex, entsprechend schwierig sei es gewesen, den eigenen Argumenten Gehör zu verschaffen, sagt Gregor Rutz (44), SVP-Nationalrat und langjähriger Generalsekretär der Partei. «Wir müssen uns aber auch fragen, ob wir die Kampagne richtig geführt haben und den Bürgern die Konsequenzen der Vorlage glaubwürdig aufzeigen konnten.» Es sei richtig gewesen, das Referendum zu ergreifen, fährt der Zürcher fort. «Längerfristig stellt sich für die SVP allerdings die Frage, wie wir unsere Ressourcen richtig einteilen.»
Spürbar, so Rutz, sei allerdings auch die stark angewachsene Mannschaft im Parlament: «Wir stellen in Bern eine Fraktion von 74 Leuten. Alle auf Linie zu bringen, ist heute schwieriger als früher.» Es gebe in grossen Organisationen immer Leute, die lieber den grossen Auftritt suchen als die inhaltliche Knochenarbeit. Rutz: «Dort orte ich die Gefahr.»
Noch vor kurzem klang es ganz anders. Jahrelang trieb die SVP die anderen Parteien vor sich her. Es gelang ihr, Europa- und Zuwanderungspolitik nachhaltig in neue Bahnen zu lenken und damit Wahl um Wahl zu gewinnen. Nun droht dieser Schwung zu erlahmen. « Wir sind vom Jäger zum Gejagten geworden», sagt ein hochrangiges Parteimitglied hinter vorgehaltener Hand.
Die SVP ist zu schlagen
Die erbittertsten Gegner der SVP wittern nun Morgenluft. Die Initiative «Raus aus der Sackgasse» (Rasa) verlangt die ersatzlose Streichung des Masseneinwanderungs-Artikels 121a aus der Bundesverfassung. Obwohl die vorsichtige Umsetzung der MEI längst als Erfolg einer breiten Koalition von SP bis FDP gefeiert wird, halten die Rasa-Initianten an ihrem viel weitergehenden Vorhaben fest.
Jetzt, sind sie überzeugt, kann die SVP auf ihrem Terrain überwunden werden. «Es sieht so aus, dass wir im Augenblick an der Rasa-Initiative festhalten und unser Anliegen nicht zurückziehen werden», sagt Mitinitiant Thomas Geiser (64).
Die Diskussionen liefen noch. «Es ist jedoch tatsächlich wahr, dass die SVP im Moment zu schlagen ist. Das könnte unsere Chance sein, den Artikel 121a wieder aus der Verfassung zu streichen», sagt der Rechtsprofessor.
«Der Erfolg der SVP lässt sich daran messen, wie wir bei den Nationalratswahlen 2019 abschneiden», winkt Parteipräsident Rösti ab – räumt aber ein, dass es für die SVP zentral sei, eine «allfällige Abstimmung zur Personenfreizügigkeit» zu gewinnen. Sollte dieses Vorhaben nicht gelingen, wäre das tatsächlich ein Problem, sinniert Rösti. Dann fügt er sicherheitshalber an: «Für unser Land.»