Nach Sponsoring-Debakel beim Bund
Amherd durchleuchtet das VBS

Der EDA-Deal mit einem Tabak-Multi sorgte für Aufruhr. Es zeigt sich, auch die Verteidigungsministerin nimmt die Beiträge aus der Wirtschaft in ihrem Departement unter die Lupe.
Publiziert: 28.07.2019 um 00:26 Uhr
|
Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:08 Uhr
1/7
VBS-Chefin Viola Amherd schickt die Revisoren los.
Foto: Keystone
Simon Marti

Ein Deal des Aussendepartements von Bundesrat Ignazio Cassis (58, FDP) beweist, welchen Umfang die Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft erreicht hat: 1,8 Millionen Franken lässt sich der Tabakmulti Philip Morris sein Engagement für den Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 2020 in Dubai kosten, wie CH Media enthüllte.

Die Empörung unter Gesundheitspolitikern und Ärzten war enorm. Nun zeigt sich: Das EDA ist bei weitem nicht das einzige Departement, das – natürlich gegen Bezahlung – gern mit der Wirtschaft zusammenspannt. Was wiederum nicht allen Magistraten recht ist: Bundesrätin Viola Amherd (57, CVP) geht sogar so weit, ihr Verteidigungsdepartement (VBS) durchleuchten zu lassen. Das zeigt ein interner Prüfauftrag mit Amherds Unterschrift vom 3. Juli, wenige Wochen, bevor über dem Aussendepartement der Sturm der Entrüstung losbrach. Eine Kopie liegt SonntagsBlick vor.

Amherds Weisung beschreibt das Dilemma, das für den Bund entsteht, wenn Firmen mit einem Zustupf locken – und zeigt, dass sich die Problematik verschärft hat: «Zuwendungen aus privaten Finanzierungsquellen (Sponsoring) haben für die öffentliche Verwaltung in den letzten Jahren aufgrund der immer knapper werdenden Haushaltsmittel an Bedeutung gewonnen.»

Das bedeutet: Sparübungen vergangener Legislaturen zwingen die Beamten geradezu, Gelder jenseits ihrer Budgets aufzutreiben. Weiter heisst es in Amherds Weisung: «Die öffentliche Verwaltung muss dabei jedoch die ungewollte fremde Einflussnahme sowie den Anschein dieser unbedingt vermeiden. Daher hat die Annahme von Sponsoringmitteln strengen Regeln zu unterliegen.»

Grosse Unterschiede

Der Auftrag an die VBS-Prüfer verrät, dass sich die Walliserin einen genauen Überblick verschaffen will. Amherd fordert Klarheit, wie Sponsoring in der Praxis ihres Departements gehandhabt wird. Selbst eine Definition des Begriffs Sponsoring wünscht sie sich – «in den verschiedenen Schattierungen der öffentlichen Verwaltung».

Die Kompetenzen der Revisoren sind umfassend: Ihnen sei uneingeschränkter Zugriff auf sämtliche Unterlagen zu gewähren, «Zugang zu allen relevanten Personen und Zutritt zu allen Diensträumen des VBS». Der Bericht über diese Untersuchung soll im Herbst vorliegen.

Wie das VBS diese Woche gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung» erklärte, seien es primär Schweizer Rüstungsfirmen oder Zulieferer, die bisher Veranstaltungen unterstützt hätten. Eine vollständige Statistik existiert jedoch nicht.

Gegenüber SonntagsBlick nennt das VBS drei Aviatik-Veranstaltungen, bei denen Kooperationen eingegangen wurden: «50 Jahre Air Base Alpnach» und die Hundertjahrfeier des Flugplatztes Dübendorf – beide 2014 – sowie der 75. Jahrestag der Eröffnung des Flugplatzes Meiringen 2015.

100'000 Franken für Feier in Meiringen

«Bei den Unternehmen, welche als Sponsoren aufgetreten sind, handelte es sich um Schweizer Rüstungsfirmen oder Schweizer Grossunternehmen», schreibt das VBS, «zum Beispiel Ruag, Pilatus, Swisscom» sowie um lokale Unternehmen. Bei der Feier in Meiringen BE seien rund 100'000 Franken eingegangen. «Zu den wichtigsten Sponsoren gehörten lokale Baufirmen, Transportunternehmen und Caterer sowie viele kleine Sponsoren», schreibt das VBS.

Offenbar hat es den Amtsantritt der im Dezember gewählten Amherd gebraucht, um die Problematik ins Auge zu fassen. Inzwischen wurde klar, dass der Umgang mit Sponsorengeldern von Departement zu Departement verschieden ist. Und dass die Schmerzgrenze, bis zu welchem Umfang sie akzeptiert werden, nicht zuletzt vom zuständigen Bundesrat abhängt. Dies illustriert eine Episode aus dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI).

Heute sind die Kooperationen des EDI kaum noch der Rede wert. 2012 und 2013 aber steuerte Japan Tobacco International je 54'000 Franken zur Verleihung des Schweizer Filmpreises bei, wie eine Sprecherin gegenüber SonntagsBlick erklärt. Die Vereinbarung mit dem Hersteller von Zigarettenmarken wie Winston, Camel oder Benson & Hedges fällt in die Ägide von alt Bundesrat Didier Burkhalter (59, FDP) und des damaligen Chefs des Bundesamts für Kultur (BAK), Jean-Frédéric Jauslin. Als der heutige EDI-Chef Alain Berset (47, SP) übernahm, untersagte er künftige Kooperationen mit dem Tabakkonzern. Eigentlich naheliegend für ein Departement, in dessen Aufgabenbereich auch das Gesundheitswesen fällt.

Partnerschaft mit Philip Morris soll analysiert werden

Bundesrat Cassis wiederum, dessen Aussendepartement die Kon­troverse mit dem Philip-Morris-Deal ausgelöst hat, erklärte gegenüber Radio RSI, die Partnerschaft nun analysieren zu wollen. Dabei hat Sponsoring beim EDA eine lange Tradition. Für die Weltausstellung 2012 im südkoreanischen Yeosu kamen 253'691 Franken aus der Wirtschaft – plus Sachleistungen in Höhe von knapp 400'000 Franken. Bei der Expo in Mailand (I) drei Jahre später waren es mehr als 6,3 Millionen Franken und Sachleistungen über 2,8 Millionen. Heikle Gönner waren nicht mit von der Partie.

Da andere Departemente an Grossveranstaltungen weniger präsent sind als EDA und VBS, stellt sich die Frage der Mittelbeschaffung dort weniger dringend. Beim Finanz- und beim Justizdepartement etwa ist kein Fall von Sponsoring bekannt. Eine Untersuchung à la Amherd bleibt ihnen erspart.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?