Nach seinem Hakenkreuz-Tweet: Der BDP-Chef krebst zurück – zumindest teilweise
«Ich entschuldige mich bei den Juden ... aber nicht bei der SVP»

Eine Woche vor der Abstimmung über die Durchsetzungs-Initiative wird die Stimmung immer gehässiger, die Beschimpfungen extremer. Für den jüngsten Eklat sorgte diese Woche BDP-Präsident Martin Landolt (47). Der Glarner Nationalrat verbreitete auf dem sozialen Netzwerk Twitter ein Schweizerkreuz, das zum Nazisymbol verkommt. Dazu der Hinweis auf die Machtübernahme Hitlers 1933 in Deutschland und der Etablierung der Apartheid (Rassentrennung) in Südafrika.
Publiziert: 21.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:50 Uhr
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Grobes Geschütz gegen die Durchsetzungs-Initiative: Landolts umstrittener Hakenkreuz-Tweet.
Interview: Marcel Odermatt, Simon Marti (Text) und Valeriano Di Domenico (Fotos)

Herr Landolt, warum sind für Sie die Befürworter der Durchsetzungs-Initiative Nationalsozialisten?
Martin Landolt: Das habe ich nie so gesagt. Das ist eine grosse Fehlinterpretation meines Tweets. Wer für die Initiative stimmt, soll sich einfach bewusst sein, dass er damit hilft, einen Teppich zu legen für eine weitere Entwicklung, die wir nicht kennen, die wir nicht wollen, aber vielleicht nicht kontrollieren können.

Ihr Tweet zeigt aber, dass Sie glauben, die Entwicklung zu kennen.
Da muss man präzis bleiben. Ich habe ein Bild getwittert, das ein Werber entworfen hat. Er warnt vor einer Zweiklassenjustiz und zeigt ein Schweizerkreuz, das sich in ein Hakenkreuz verwandelt. Und er verweist beispielsweise auf Deutschland im Jahr 1933. Was bedeutet nun diese Jahreszahl? 1933 markiert das Ende der Weimarer Republik und nicht den Zweiten Weltkrieg oder den Holocaust. Das war Jahre später. Aber 1933 legte man den Grundstein für eine Entwicklung, die später völlig aus dem Ruder lief. Ich sage keinesfalls, dass wir im Begriff sind, bewusst in diese Richtung zu marschieren, oder dass jemand dies beabsichtigt. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass ein Ja am 28. Februar in einem gewissen Masse eine vergleichbare Ausgangslage schafft wie Deutschland 1933 oder Südafrika 1948.

Sie wissen aber haargenau, wie es in der Öffentlichkeit ankommt, wenn Martin Landolt ein Hakenkreuz postet.
Ich bin mir bewusst, dass das Bild provoziert und überzeichnet. Aber es bringt eben auch die Botschaft prägnant auf den Punkt. Interessant ist ja, dass man mit Springerstiefeln, schwarzen Schafen oder Messerstecher-Plakaten Werbung machen kann, ohne dass jemand zusammenzuckt. Daran hat man sich offenbar gewöhnt. Wenn aber der Landolt kommt und mit ähnlichen Mitteln operiert, gibt es einen grossen Tsunami, statt dass wir über die Botschaft dahinter diskutieren.

War es also kein Fehler, das Bild zu posten?
Mich hat das Ausmass der Reaktionen überrascht. Ich hätte das Bild nicht kommentarlos posten sollen. Aber ich stelle mich der Diskussion und stehe hinter der Botschaft, sofern sie auch präzise interpretiert wird.

Wie fielen die Reaktionen auf Ihren Tweet aus?
Es gibt drei Kategorien von Rückmeldungen: Eine Gruppe stimmt mir zu und stärkt mir den Rücken. Eine andere beschimpft mich massiv und tobt sich im Internet aus. Diese Leute unterschreiten teilweise das Niveau, das sie selber kritisieren.

Und die dritte Gruppe?
Das ist zahlenmässig die kleinste Gruppe, aber diejenige, die mich emotional am meisten trifft. Es sind Menschen, auch jüdischen Glaubens, die mir vorwerfen, mit meinem Vergleich die Verbrechen der Nazis kleinzureden oder den Holocaust zu verniedlichen. Es tut mir unheimlich leid, dass mich diese Menschen so verstanden haben. Dafür entschuldige ich mich. Damit hätte ich nie gerechnet. Denn genau für sie wollte ich mich einsetzen. Ich wollte sie keinesfalls provozieren, sondern habe gehofft, genau ihnen aus dem Herzen zu sprechen.

Ist diese Reaktion nicht verständlich? Wer eine Initiative mit den Nazis verknüpft, redet deren Gräueltaten klein.
Darum sind die Jahreszahlen so wichtig. Der Holocaust begann nicht 1933, sondern 1941. Aber 1933 wurde der Grundstein gelegt für Entwicklungen, über die man irgendwann die Kontrolle verloren hatte. Das dürfte 1933 die grosse Masse kaum vermutet oder gewollt haben. Genau darüber mache ich mir Sorgen, dass wir ungewollt eine Situation schaffen, wie in Deutschland Anfang der 30er-Jahre. Man muss das Bild in diesen präzisen Kontext stellen.

Sie sagen, die Initiative lege möglicherweise einen Teppich hin zu einem Unrechtsregime. Interessant ist aber, dass Sie – gemeinsam mit anderen Bürgerlichen – als Gegner der Vorlage im Nationalrat zuerst auch für eine harte Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative ohne Härtefallprüfung gestimmt haben.
Ich habe mich damals selbstverständlich vom Grundsatz leiten lassen, den Volkswillen so gut wie möglich umzusetzen, auch wenn mir persönlich nicht alles gepasst hat. Der Volkswille war aber ernst zu nehmen, und es wurde ein hartes Gesetz verabschiedet. Ich gebe zu, dass wir damals im Nationalrat auch unter dem Druck der Durchsetzungs-Initiative standen. Wir wollten Schlimmeres verhindern und hofften, dass die Initiative zurückgezogen würde. Die Drohkulisse der SVP hat funktioniert.

War es ein Fehler, dass der Nationalrat eine strenge Umsetzung beschlossen hat?
Wir haben uns am Schluss der Beratung den Mehrheiten gefügt, weil wir sonst kein Gesetz gehabt und den Volkswillen nicht umgesetzt hätten. Aber man darf schliesslich klüger werden. Manchmal ist es gut, wenn Beschlüsse nochmals überdacht werden. Dafür haben wir ein Zweikammersystem. Dass sich der Ständerat auf rechtsstaatliche Prinzipien berief und unseren Entscheid korrigierte, war richtig.

Sie haben die SVP schon 2014 in die braune Ecke gestellt. Das passt doch nicht zum Image, das sich die BDP selbst verpasst hat: sachlich und lösungsorientiert zu politisieren. Suchen Sie einen neuen Stil?
Das ist doch keine Stil-Suche. Offensichtlich braucht es auch mal laute Argumente, um dann die rationalen Gründe erläutern zu können. Es ist das zweite Mal innert knapp zwei Jahren, dass ich ausnahmsweise provokativer geworden bin. Ich schwinge also nicht regelmässig die angebliche Nazi-Keule und werde das auch künftig nicht tun. Aber wir werden uns als BDP gegen eine Radikalisierung im Land wehren und gelegentlich auch lauter auftreten als bisher.

Auch weil Ihr nüchterner Auftritt sich im Wahljahr nicht ausgezahlt hat?
Das hat nichts mit meinem Tweet zu tun. Aber es ist grundsätzlich eine der Lehren, dass wir unsere Botschaften emotionaler platzieren können. Es gehört zu unseren Chancen als Nicht-Bundesratspartei, zwischendurch auch frecher auftreten zu können. Aber nochmals: Das hat nichts mit dem Tweet zu tun.

Nicht mehr an Bord ist Ihr Westschweizer Aushängeschild Christine Bussat. Wegen Ihres Hakenkreuz-Tweets verliess die Marche-Blanche-Gründerin diese Woche die BDP. Was hat das für Konsequenzen?
Mein Tweet war offensichtlich nicht der einzige Grund. Wir haben schon länger gespürt, dass sie sich bei uns nicht wohlfühlt. Dass sie aber einfach – bewusst medienwirksam – austritt, ohne mir die Chance einer Erklärung zu geben, war nicht die feine Art.

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