Nach Rösti-Attacke schiesst FDP-Müller zurück
«SVP sucht gezielt die Opferrolle»

Die Linke betreibe mit Hilfe der Mitteparteien eine verantwortungslose Politik, wetterte SVP-Chef Albert Rösti im BLICK. Diese lassen die Attacke nicht auf sich sitzen. Der SVP fehle es an Kompromissbereitschaft, so der Vorwurf.
Publiziert: 23.05.2019 um 23:18 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:08 Uhr
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FDP-Ständerat Philipp Müller: «Kompromisse sind für die SVP beinahe wie ein Schimpfwort.»
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Die SVP reiht Schlappe an Schlappe – und teilt trotzdem mächtig aus. «Die Linke betreibt mit Hilfe der Mitteparteien eine verantwortungslose Politik», schimpft Parteichef Albert Rösti (51) im BLICK-Interview. Der Ausbau des Sozialstaats ist Rösti ebenso ein Dorn im Auge wie der EU-Rahmenvertrag.

Röstis Attacke bringt Politiker der übrigen Bundesratsparteien auf die Palme. «Kompromisse sind für die SVP beinahe wie ein Schimpfwort», sagt FDP-Ständerat Philipp Müller (66, AG). «Sie beharrt auf Maximalforderungen und beklagt sich danach darüber, dass sie ‹allein gegen den Rest› kämpfen müsse. Die SVP sucht gezielt die Opferrolle und lebt auch etwas davon.»

Zuvor hatte CVP-Chef Gerhard Pfister (56, ZG) in der «NZZ» geschnödet, dass der Blocher-Partei die Kompromissbereitschaft abgehe. «In schwierigen Fragen kann man nicht mit ihr zusammenarbeiten.» Und mit Blick auf die Sozial- und Gesundheitspolitik meint er gar: «Die SVP hat sich abgemeldet.»

Die SVP gegen den Rest

Tatsächlich hat die SVP in den gewichtigen Vorlagen der laufenden Legislatur unerbittlich den Oppositionsknüppel geschwungen – und ging mehrmals gegen eine Allianz aus FDP, CVP und SP unter. Beispiele dafür gibt es einige:

> AHV-Steuer-Deal: 2017 mussten die Bürgerlichen bei der Unternehmenssteuerreform III eine happige Niederlage einstecken, CVP und SP bei der gescheiterten Rentenreform. FDP, SP und CVP rauften sich darauf zusammen und schmiedeten im Ständerat den AHV-Steuer-Deal, den das Stimmvolk nun deutlich gutgeheissen hat. Die SVP hingegen blieb aussen vor, obwohl mit SVP-Finanzminister Ueli Maurer (68) der eigene Bundesrat mit Vehemenz für den Kompromiss einstand. Nach dem Nein der Fraktion retteten sich die SVP-Delegierten in die Stimmfreigabe. Doch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40) wetterte bis am Schluss gegen den AHV-Steuer-Deal. 

> Budgetdebatte: Auf Maximalforderungen pochte die SVP in der Budgetdebatte 2017. Für Kopfschütteln sorgte damals eine Antragsflut von Aeschi als damaligem SVP-Leader in der Finanzkommission. Aeschi scheiterte im Plenum mit 27 SVP-Änderungsanträgen.

> Energiestrategie 2050: Bei der Energiestrategie 2050 musste 2017 ebenfalls das Stimmvolk entscheiden, nachdem die SVP das Referendum ergriffen hatte – und verlor. Auch hier stand die SVP den übrigen Bundesratsparteien gegenüber, die die Ja-Parole gefasst hatten. Im Parlament war ein hartes Ringen um den Kompromiss vorausgegangen.

> Asylgesetz: Es war ein Geben und Nehmen auf linker wie auf rechter Seite. Die Asylverfahren wurden beschleunigt, dafür erhielten Asylsuchende einen Anwalt kostenlos zur Seite gestellt. Die SVP hingegen hatte die Vorlage schon in der Kommission mit gut 80 Anträgen torpediert – doch der Kompromiss war ihr dann doch nicht gut genug. Die SVP ergriff das Referendum, trat 2016 allein gegen FDP, CVP und SP an – und verlor an der Urne.

> Durchsetzungs-Initiative: Die Ausschaffungs-Initiative der SVP hatte das Stimmvolk gutgeheissen. Doch noch bevor das Ausführungsgesetz dazu beschlossen war, legte die SVP mit ihrer Durchsetzungs-Initiative nach. Beim Ausschaffungsgesetz orientierte sich das Parlament eng an der Initiative, allerdings mit einer Härtefallklausel. Als das «pfefferscharfe» Gesetz vorlag, hielt die SVP trotzdem an ihrer Volksinitiative fest – und scheiterte 2016.

SP-Levrat: «Jammeri-Partei»

Gerade der Umstand, dass die SVP bereits in den Kommissionen immer wieder unzählige, chancenlose Anträge einreicht, geht vielen Parlamentariern auf den Wecker. Im Ständerat hätten die SVP-Vertreter eine andere Kultur, so FDP-Mann Müller.

Auch für SP-Chef Christian Levrat (48), dessen Partei Rösti massiv attackiert, ist klar: «Die SVP mutiert zur Jammeri-Partei. Wenn sie verliert, beschimpft sie Sozialhilfebezüger, Ausländer, die städtische Bevölkerung und die progressiven Kräfte – das zeigt ihre Orientierungslosigkeit», so der Freiburger Ständerat.

Nicht nur Kompromisse seien mit der SVP nicht möglich, es fehle ihr auch an Verlässlichkeit, moniert Levrat: «Die SVP ist zu einem unberechenbaren Haufen mit querulatorischen Zügen geworden.»

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