Nach Monster-Debatte
Nationalrat deutlich gegen Erbschaftssteuer

Die Erbschaftssteuer hatte im Nationalrat klar keine Chance, eine Mehrheit zu finden. Dennoch debattierten die Volksvertreter bis tief in die Nacht.
Publiziert: 08.12.2014 um 23:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 18:20 Uhr

Nach dem StÀnderat empfiehlt auch der Nationalrat Volk und StÀnden, die Erbschaftssteuer-Initiative abzulehnen. Der Nationalrat sprach sich am spÀten Montagabend mit 124 gegen 56 Stimmen gegen die Initiative aus.

Die Volksinitiative «Millionenerbschaften besteuern fĂŒr unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» sieht vor, dass der Bund Erbschaften und Schenkungen mit 20 Prozent besteuert. FĂŒr Erbschaften gĂ€lte ein Freibetrag von 2 Millionen Franken, fĂŒr Schenkungen einer von 20'000 Franken im Jahr.

Die Einnahmen kĂ€men zu zwei Dritteln der AHV und zu einem Drittel den Kantonen zu Gute. Die neuen Regeln sollen rĂŒckwirkend ab 2012 gelten. Die meisten IndustrielĂ€nder kennen eine Erbschaftssteuer. In der Schweiz besteuert der Bund heute Erbschaften nicht. Zwar erheben fast alle Kantone solche Steuern, doch sind direkte Nachkommen inzwischen fast ĂŒberall von der Steuer befreit.

BĂŒrgerliche monieren dreifache Besteuerung

Ein bĂŒrgerliches Hauptargument gegen die Initiative war, dass das Einkommen durch die Einkommens-, die Vermögens- und schliesslich durch die Erbschaftssteuer dreifach besteuert wĂŒrde. Mehrfach moniert wurde zudem, die Initiative verletze die Steuerhoheit der Kantone, und wenn schon mĂŒsste man gleichzeitig auch die Vermögenssteuer harmonisieren.

Angesichts der LĂŒcken in der AHV wĂ€re die Erbschaftssteuer «nur ein Tropfen auf den heissen Stein», kritisierten BĂŒrgerliche. Zudem sei die Limite von zwei Millionen und das Nachlass-Prinzip willkĂŒrlich, da so ein Einzelkind zwei Millionen steuerfrei erben könne, aber auf zum Beispiel auf drei Erben verteilte 2,1 Millionen besteuert wĂŒrden.

Verschwendung werde gefördert

Laut Hans Egloff (SVP/ZH), PrĂ€sident des HauseigentĂŒmerverbandes Schweiz, ist der Wert eines Hauses samt Land heute oft höher als die Limite. Man fördere generell Verschwendung, wenn man sparsame Eltern bestraft, sagte Jean-RenĂ© Germanier (FDP/VS). Andrea Caroni (FDP/AR) sprach derweil von «fiskalischem Klassenkampf» und «Teilenteignung».

Die rĂŒckwirkende Anrechnung der Schenkungen und die noch offenen Fragen zur Unternehmensnachfolge wĂŒrden die Rechtssicherheit gefĂ€hrden, warnte Philipp MĂŒller (FDP/AG). Die Initiative hetze die Bevölkerungsmehrheit gegen eine Minderheit auf, sagte Dominique de Buman (CVP/FR). - Die Initiative betreffe nur zwei bis drei Prozent aller Erbschaften, hielt Louis Schelbert (GrĂŒne/LU) fest.

Erschwerte Nachfolgeregelung fĂŒr Betriebe

Die Rechte warnte vor Schaden fĂŒr die Wirtschaft. Trotz Sonderregeln - laut Initiativtext sollen besondere ErmĂ€ssigungen gelten, wenn Betriebe von den Erben mindestens zehn Jahre weitergefĂŒhrt werden - behindere die Initiative die Nachfolgeregelung, kritisierte Hansruedi Wandfluh (SVP/BE). Erben mĂŒssten fĂŒr die Steuer der Firma Mittel entziehen; das gefĂ€hrde ArbeitsplĂ€tze.

Der Gesetzgeber, also die bĂŒrgerliche Mehrheit, könnte fĂŒr KMU und Bauernbetriebe FreibetrĂ€ge und tiefe SteuersĂ€tze selber festlegen, konterte die Linke. Den Kantone hĂ€tten ihre Erbschaftssteuern frĂŒher nicht geschadet; sie hĂ€tten diese nur wegen des Steuerwettbewerbs aufgeben mĂŒssen, sagte Susanne Leutenegger-Oberholzer (SP/BL). Der Föderalismus habe hier versagt, sagte Schelbert.

Vermögen ungleichmÀssig verteilt

FĂŒr die Initiative plĂ€dierte die Linke mit der EVP vor allem mit Verweis auf die Gerechtigkeit: Erbschaften seien Vermögen, welche die Erbenden nicht selber erarbeitet haben. Die Konzentration der Vermögen nehme stĂ€ndig zu. Heute sei in der Schweiz ein Prozent der Bevölkerung im Besitz von 49 Prozent des Vermögens, sagte Ada Marra (SP/VD).

Der «Trend zur Feudalisierung» sei eine Gefahr fĂŒr den sozialen Zusammenhalt, sagte Leutenegger-Oberholzer weiter. Sozialer Frieden sei Voraussetzung fĂŒr den Schweizer Wohlstand, sagte Corrado Pardini (SP/BE). Die Erbschaftssteuer entlaste die ErwerbstĂ€tigen, sagte Martina Munz (SP/SH); sie bedeute SolidaritĂ€t unter den Älteren.

Erben verleihe Macht und Einfluss

Die Rechte sei gegen die Initiative, weil mit Christoph Blocher «der Oligarch Nummer eins in der Schweiz» dagegen sei. Erben verleihe ohne Leistung Reichtum, Einfluss und Macht. Grosse liberale Ökonomen wie Milton Friedman befĂŒrworteten laut Leutenegger-Oberholzer eine Erbschaftssteuer

Die Initiative beende eine Ungleichbehandlung von Erben, denn heute seien Alleinstehende ohne Kinder benachteiligt, sagte Leutenegger-Oberholzer. Rosmarie Quadranti (BDP/ZH) kritisierte hingegen, die Initiative begĂŒnstige nicht-verwandte Erben, die heute meist stark besteuert wĂŒrden, ausgerechnet zulasten von Verwandten.

Bundesrat dagegen

Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf warnte vor ĂŒberzogenen Einnahmen-Hoffnungen. Just die offenen VergĂŒnstigungen fĂŒr Firmen und Bauern liessen dazu Fragen offen.

Balthasar GlĂ€ttli (GrĂŒne/ZH) hatte vorab beantragt, die Debatte im Nationalrat zur Erbschaftssteuer-Initiative um 22 Uhr zu vertagen, damit sie eine angemessene Öffentlichkeit finde. Dies wurde mit 144 gegen 16 Stimmen abgelehnt mit Verweis auf Dringlichkeit und knappe Sessionszeit.

Schon StÀnderat dagegen

Der StĂ€nderat hatte das Volksbegehren in der Herbstsession - nach zusĂ€tzlichen AbklĂ€rungen zur rechtlichen GĂŒltigkeit speziell wegen der RĂŒckwirkungsklausel - zur Ablehnung empfohlen. In der grossen Kammer war die GĂŒltigkeit nun nur noch am Rande ein Thema.

Die Volksinitiative war am 15. Februar 2013 eingereicht worden. Dahinter stehen die Parteien EVP, SP, GrĂŒne und CSP sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die christliche Organisation ChristNet.

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