Die Provokation ist perfekt und jetzt definitiv: Die EU knüpft die Anerkennung der Schweizer Börsen-Äquivalenz an den Fortschritt beim Rahmenabkommen. Die Börsen-Lizenz erhält die Schweiz vorerst nur auf ein Jahr befristet. Dies hat die EU-Kommission von Präsident Jean-Claude Juncker (63) soeben definitiv entschieden, wie es in der Medienmitteilung heisst.
Bundespräsidentin Doris Leuthard hat mit harten Worten darauf reagiert: Die Schweiz habe in den letzten Tagen und Wochen auf verschiedenen Ebenen interveniert. «Die Schweiz erfüllt die Bedingungen für die Anerkennung der Börsenäquivalenz, genauso wie die anderen Drittstaaten, die eine unbefristete Anerkennung bekommen haben», so die CVP-Magistratin. Daher betrachte der Bundesrat die befristete Anerkennung als klare Diskriminierung der Schweiz. «Auch die Verbindung dieses technischen Dossiers mit den institutionellen Fragen ist sachfremd und inakzeptabel.»
«Aus Sicht des Bundesrates gibt es Zweifel an der Rechtmässigkeit dieses Entscheides», so Leuthard weiter. Man habe auch den Eindruck, dass dieser Entscheid zum Ziel habe, den Finanzplatz Schweiz zu schwächen. Deshalb solle der Schweizer Börsen- und Finanzplatz gestärkt werden. «Dabei steht die Abschaffung der Stempelabgabe im Vordergrund», so Leuthard.
Vor allem aber stellt der Bundesrat die Ostmilliarde in Frage. Diese geplante Zahlung wurde beim Juncker-Besuch im November angekündigt – nun sagt Leuthard: «Der Bundesrat behält sich vor, die Arbeiten an der entsprechenden Vernehmlassungsvorlage angesichts dieser Entwicklungen neu zu beurteilen.»
Auch Parlament könnte Nothalt verlangen
Sollte der Bundesrat dennoch an der Zahlung festhalten, muss das Parlament seinen Segen geben. Ob es das tun wird, ist völlig offen. Während die SVP die Zahlung grundsätzlich bekämpft und die Linke die Osthilfe an keine Bedingungen knüpfen will, gibt sich die Mitte noch zurückhaltend.
«Es handelt sich um normale Interessenvertretung zwischen der souveränen Schweiz und der souveränen EU», sagt CVP-Präsident Gerhard Pfister (55) zu BLICK. Ob er und seine Partei die Zahlung unterstützen wird, lässt er offen. «Sicherlich hat es die Kohäsionsmilliarde innerhalb der CVP nach den neusten Entwicklungen schwerer.»
FDP-Gössi: «Finde es schwierig, die Ostmilliarde zu sprechen»
Sie sei ja aber vom Bundesrat gar noch nicht versprochen worden. «Doris Leuthard hat Juncker nur mitgeteilt, der Bundesrat erarbeite eine entsprechende Botschaft ans Parlament – mit dem Hinweis, dass das Parlament frei ist, darüber zu entscheiden.»
FDP-Präsidentin Petra Gössi (41) sagt zu BLICK: «Freundschaftliche und normalisierte Beziehungen sehen für mich definitiv anders aus. Wir brauchen eine unbefristete Äquivalenz um Rechtssicherheit zu schaffen.»
Man dürfe nicht vergessen, dass es hier um ein Handelsvolumen von fast 500 Milliarden Franken gehe. Die Kohäsionsmilliarde sei ein Entgegenkommen der Schweiz für die Normalisierung der Beziehungen zur EU. «Entsprechend finde ich es schwierig, die Kohäsionsmilliarde zu sprechen.»
Zuerst solle die EU ihr Versprechen einer Normalisierung der Beziehungen erfüllen. «Das Beispiel zeigt exemplarisch, dass der Bundesrat einen gangbaren und selbstbewussten Weg aufzeigen muss, wie wir die bilateralen Verträge auf ein neues Fundament stellen können. Solche Repressionsentscheide der EU legen diesem Weg aber nur Steine in den Weg», so die FDP-Chefin weiter.
«Die Schweiz profitiert enorm von den Bilateralen, jeden zweiten Franken verdienen wir im Ausland», sagt hingegen Jürg Grossen (48), Präsident der Grünliberalen. «Der Kohäsionsbeitrag ist deshalb berechtigt.» Die momentane Drucksituation sei jedoch zweifellos unbefriedigend und führe zu Rechtsunsicherheit.