Nach HSK-Skandal um Erdogan-Propaganda: Seconda Laavanja Sinnadurai (28) erinnert sich
Tamilische Kinder spielten einst Tamil Tigers

Die tamilische Diaspora gilt heute als gut integriert. Doch die Kinder der vom Bürgerkrieg Geflüchteten erlebten im Schweizer Unterricht direkte Einflussnahme der Tamil Tigers. Eine ehemalige Schülerin erinnert sich.
Publiziert: 06.05.2018 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:23 Uhr
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Erinnert sich, wie die Tamil Tigers den HSK-Unterricht politisch beinflussten: Die Berner Seconda und Juristin Laavanja Sinnadurai.
Foto: zVg
Cinzia Venafro

Ihre Eltern flüchteten vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka, sie wuchs in Bern auf. Doch im Rahmen des Unterrichts in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) erlebte Laavanja Sinnadurai (28), wie die Tamil Tigers (LTTE) politischen Einfluss auf den Tamilen-Nachwuchs nahmen.

«Als Kind war es ganz normal, dass wir insbesondere am Heldengedenkfeiertag als Soldaten verkleidet um Konterfeis verstorbener LTTE-Kämpfer tanzten», erinnert sich Juristin Sinnadurai.

Heute blickt Laavanja Sinnandurai gespalten auf die politische Einflussnahme der LTTE-Kämpfer auf ihren HSK-Unterricht. «Als Schülerin habe ich mir nichts dabei gedacht.» Und sie betont: «Keinem Secondo-Tamilen ist es in den Sinn gekommen, sein Leben in der Schweiz aufzugeben und in den Krieg zu ziehen, weil unser HSK-Unterricht durch die Tamil Tigers beeinflusst wurde.»

Tamil Tigers infiltrierten HSK-Unterricht

Im Gegenteil: «Wir lernten im HSK, warum wir überhaupt in der Schweiz sind. Und dieses Verständnis für unsere Geschichte ist wichtig. Ich kann dann mit meinem eigenen Menschenverstand entscheiden, wie ich damit umgehe.»

Und trotzdem: Die Tamil-Tiger-Propaganda verfehlte ihre Wirkung nicht. So sagt Laavanja Sinnadurai: «In unserer Wahrnehmung hatten die Tigers einen Regierungsstatus. Erst nach dem Ende des Krieges 2009 habe ich realisiert, dass er nicht gegeben war.»

Im Kanton Bern kontrolliert die Erziehungsdirektion den HSK-Unterricht bis heute nicht, obwohl dieser laut Leitlinien «politisch und konfessionel neutral» sein müsste. «Die Behörden haben uns in meiner Wahrnehmung damals machen lassen», erinnert sich Laavanja Sinnadurai. «Bei den Theaterstücken sassen aber meiner Erinnerung nach auch immer Leute der Schulbehörde im Publikum.»

Sinnadurai: «Sind trotzdem gut integriert.»

Sinnadurai fordert: «Die Behörden sollten den Unterricht kontrollieren, wenn ein Verdacht besteht, dass die Kinder für Propaganda missbraucht werden. Aber es gibt immer zwei Seiten, und man sollte den Gemeinschaften ihre Freiheiten lassen.»

Mit Blick auf die türkisch-nationalistische Propaganda innerhalb des HSK-Unterrichts betont Sinnadurai: «Die tamilischen Secondos sind sehr gut integriert, obwohl wir die Tamil Tigers im HSK-Unterricht verehrt haben. Dies war auch nur ein sehr kleiner Teil. Vor allem lernten wir die Sprache und die Grammatik.»

Schliesslich sei Geschichtsunterricht immer politisch, ist sie überzeugt. «Im Schweizer Unterricht lernen wir auch von Wilhelm Tell, der ein Freiheitskämpfer war.»

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