Chancen für Kuhhandel steigen
Gewerkschaften verzichten auf Referendum gegen AHV-Steuer-Deal

Der Gewerkschaftsbund wird kein Referendum gegen die Steuervorlage ergreifen. Die Delegierten stimmten mit 46 zu 41 Stimmen für den Kuhhandel.
Publiziert: 28.09.2018 um 13:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 08:40 Uhr
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Paul Rechsteiner, Präsident des SGB, konnte die Kameraden auf Linie bringen. Sie stimmen dem AHV-Steuer-Deal zu.
Foto: Keystone
Martina Tomaschett

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat an der Delegiertenversammlung beschlossen, kein Referendum gegen den AHV-Steuerdeal zu ergreifen. Mit 46 zu 41 Stimmen sprachen sich die Delegierten für den Kuhhandel aus.

In einer zweiten Abstimmung befanden die Delegierten über einen Antrag des Schaffhauser Gewerkschaftsbundes, der eine Stimmfreigabe forderte. Auch diesem Antrag stimmten die Delegierten knapp zu: mit 50 zu 40 Stimmen.

Dem Entscheid war eine hitzige Diskussion vorausgegangen. Es meldeten sich so viele Redner, dass SGB-Präsident Paul Rechsteiner (65) die Delegierten aufrief, sich kurz zu halten. Die maximale Redezeit von drei Minuten nutzten die meisten Redner voll aus: Es folgte eine flammende Rede auf die andere.

Unia und VPOD sagen Nein

Unia-Präsidentin Vania Alleva (49) teilte als erste Rednerin mit, dass ihre Gewerkschaft die Nein-Parole beschlossen habe. Eine Hypothek, denn die Unia ist die grösste Gewerkschaft unter dem Dach des SGB. Die Diskussion sei nicht leichtfertig geführt worden, sondern besonnen. Schlichtend fügte Alleva an: «Mir ist es wichtig, dass es nicht zu einer Zerreissprobe unserer Bewegung kommt.»

Zwei Gewerkschaften aus dem Service-Public-Bereich haben die offizielle Parole noch nicht gefasst. Diese würden nach der SGB-Delegiertenversammlung geschehen. Deshalb äusserten deren Vertreter ihre persönlichen Überzeugungen.

Katharina Prelicz-Huber (58) vom Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) trat ebenfalls für ein Nein ein. Der Deal entlaste die Superreichen auf dem Rücken der Bevölkerung. «Bitte sagt Nein und Ja zum Referendum», appellierte sie an die Gewerkschafter.

Tuti plädiert für Kuhhandel

Auf Prelicz-Hubers engagiertes Votum folgte Giorgio Tuti, der Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV). Er vertrete ebenfalls den Service Public, habe zu der Vorlage aber eine andere Meinung. «Ich glaube kaum, dass es in Zukunft wieder eine Chance gibt, zwei Milliarden so zu holen, wir wir das jetzt können», begründete er seine Haltung. Der Kuhhandel müsse aus nationaler Ebene unterstützt werden. Die Umsetzung der Kantone solle dann bekämpft werden, wenn diese auch vorlägen, so Tuti.

So sieht der AHV-Steuer-Deal aus

Die Schweiz muss ihre Steuerregeln anpassen, weil das Ausland die Sonderregeln für internationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz nicht mehr akzeptiert. Dies, weil die Holdings sehr wenig Steuern abliefern. Um dennoch attraktiv zu bleiben, will die Schweiz die Konzerne nicht mehr bevorzugen, sondern generell attraktivere Unternehmenssteuern einführen. Die meisten Kantone werden ihre Gewinnsteuern senken. Zudem gibt es weitere Steuerspar-Instrumente wie Abzüge für Forschungs- und Entwicklungskosten.

Weil das Volk im letzten Jahr Nein zur Vorläuferreform gesagt hat, wurde diesmal eine «soziale Kompensation» hinzugefügt: Für jeden Franken, der dem Staat durch die Steuerreform entgeht, soll die AHV einen Franken erhalten – insgesamt über zwei Milliarden Franken pro Jahr. Davon wird der grösste Teil von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit 0,3 Prozent höheren Lohnbeiträgen finanziert. So bleibt die AHV-Kasse länger im Lot – was die Linke freut.

Die Verknüpfung von Steuern und AHV ist umstritten. Für die Bürgerlichen ist der Steuerteil des Deals aber zentral.

So sieht der  Deal im Detail aus:

  • Die Unternehmenssteuerrefor m wird mit einer AHV-­Zusatzfinanzierung kombiniert. Die AHV erhält zusätzlich rund 2 Milliarden Franken pro Jahr. 1,2 Milliarden tragen ­Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit insgesamt 0,3 Lohnpro­zenten bei. Das sogenannte AHV-Mehrwertsteuerprozent kommt künftig vollumfänglich der AHV zugute, was rund 520 Millionen Franken einbringt. Der Bundesanteil an die AHV-Ausgaben wird von 19,55 auf 20,2 Prozent erhöht, was zu Mehreinnahmen von 300 Millionen Franken führt.
     
  • Die international nicht mehr akzeptierten Steuerprivilegien für Statusgesellschaften werden abgeschafft.Der Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer wird von 17 Prozent auf 21,2 Prozent erhöht. Das bringt diesen gut eine Milliarde an Zusatz­einnahmen. Und damit Spielraum, die Gewinnsteuer zu senken.
     
  • Dividenden auf Beteiligungen von mindestens 10 Prozent werden beim Bund zu mindestens 70 Prozent besteuert, bei den Kantonen zu mindestens 50 Prozent.
     
  • Hochsteuerkantone können den Abzug eines fiktiven Zinses auf überschüssigem Eigenkapital zulassen. Dadurch sinkt die Gewinnsteuer. Voraussichtlich profitiert davon nur der Kanton Zürich.
     
  • Der Aufwand für Forschung und Entwicklung im Inland kann zu 150 Prozent von den Steuern abgezogen werden.
     
  • In der Patentbox können die Kantone Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten ermässigt besteuern. Die Entlastung darf höchstens 90 Prozent betragen.
     
  • Das Kapitaleinlageprinzip, mit dem Unternehmen steuerfrei Milliarden an ihre Aktionäre ausschütten können, wird eingeschränkt.
     
  • Die Kantone sollen die Steuerfälle bei den Gemeinden «angemessen abgelten» statt nur «angemessen berücksichtigen».

Die Schweiz muss ihre Steuerregeln anpassen, weil das Ausland die Sonderregeln für internationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz nicht mehr akzeptiert. Dies, weil die Holdings sehr wenig Steuern abliefern. Um dennoch attraktiv zu bleiben, will die Schweiz die Konzerne nicht mehr bevorzugen, sondern generell attraktivere Unternehmenssteuern einführen. Die meisten Kantone werden ihre Gewinnsteuern senken. Zudem gibt es weitere Steuerspar-Instrumente wie Abzüge für Forschungs- und Entwicklungskosten.

Weil das Volk im letzten Jahr Nein zur Vorläuferreform gesagt hat, wurde diesmal eine «soziale Kompensation» hinzugefügt: Für jeden Franken, der dem Staat durch die Steuerreform entgeht, soll die AHV einen Franken erhalten – insgesamt über zwei Milliarden Franken pro Jahr. Davon wird der grösste Teil von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit 0,3 Prozent höheren Lohnbeiträgen finanziert. So bleibt die AHV-Kasse länger im Lot – was die Linke freut.

Die Verknüpfung von Steuern und AHV ist umstritten. Für die Bürgerlichen ist der Steuerteil des Deals aber zentral.

So sieht der  Deal im Detail aus:

  • Die Unternehmenssteuerrefor m wird mit einer AHV-­Zusatzfinanzierung kombiniert. Die AHV erhält zusätzlich rund 2 Milliarden Franken pro Jahr. 1,2 Milliarden tragen ­Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit insgesamt 0,3 Lohnpro­zenten bei. Das sogenannte AHV-Mehrwertsteuerprozent kommt künftig vollumfänglich der AHV zugute, was rund 520 Millionen Franken einbringt. Der Bundesanteil an die AHV-Ausgaben wird von 19,55 auf 20,2 Prozent erhöht, was zu Mehreinnahmen von 300 Millionen Franken führt.
     
  • Die international nicht mehr akzeptierten Steuerprivilegien für Statusgesellschaften werden abgeschafft.Der Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer wird von 17 Prozent auf 21,2 Prozent erhöht. Das bringt diesen gut eine Milliarde an Zusatz­einnahmen. Und damit Spielraum, die Gewinnsteuer zu senken.
     
  • Dividenden auf Beteiligungen von mindestens 10 Prozent werden beim Bund zu mindestens 70 Prozent besteuert, bei den Kantonen zu mindestens 50 Prozent.
     
  • Hochsteuerkantone können den Abzug eines fiktiven Zinses auf überschüssigem Eigenkapital zulassen. Dadurch sinkt die Gewinnsteuer. Voraussichtlich profitiert davon nur der Kanton Zürich.
     
  • Der Aufwand für Forschung und Entwicklung im Inland kann zu 150 Prozent von den Steuern abgezogen werden.
     
  • In der Patentbox können die Kantone Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten ermässigt besteuern. Die Entlastung darf höchstens 90 Prozent betragen.
     
  • Das Kapitaleinlageprinzip, mit dem Unternehmen steuerfrei Milliarden an ihre Aktionäre ausschütten können, wird eingeschränkt.
     
  • Die Kantone sollen die Steuerfälle bei den Gemeinden «angemessen abgelten» statt nur «angemessen berücksichtigen».
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