Vairano TI am Donnerstagmorgen. Der an einem steilen Hang gelegene Weiler der Gemeinde Gambarogno ist eine typische Tessiner Siedlung: Viele Ferienhäuser, die Sicht auf den Lago Maggiore ist atemberaubend, man legt Wert auf Privatsphäre und Sichtschutz.
Doch kurz vor 10.30 Uhr unterbrechen Hilfeschreie die sommerliche Idylle. Es ist alt Bundesrätin Doris Leuthard (59), die Hilfe braucht. Sie hält sich zu diesem Zeitpunkt in ihrem Ferienhaus ganz oben am Hang auf.
Nachbarn sollen die Polizei alarmiert haben
Besorgte Nachbarn alarmieren die Polizei, die wenig später eintrifft – mit zwei Autos und einer Ambulanz. Einen Polizeieinsatz in der Siedlung beobachtet hat auch alt SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (68). Er hat ein Ferienhaus ganz in der Nähe und war mit dem Velo unterwegs. Gegen 10.30 Uhr seien zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen die Strasse hochgefahren. Es müsse sich um diesen Einsatz gehandelt haben, sagt Giezendanner zu Blick. Mehr wisse er aber auch nicht.
Später stellt sich heraus: Die beliebte Aargauer Mitte-Politikerin wurde von einem Mann mit einem «spitzen Gegenstand» bedroht, wahrscheinlich einem Messer.
Staatsanwaltschaft gibt sich zugeknöpft
Zuvor sei es zu einem heftigen Streit zwischen Leuthard und dem Mann gekommen, wie «tio.ch» berichtet. Die Tessiner Staatsanwaltschaft will gegenüber Blick nicht bestätigen, dass es sich bei der angegriffenen Frau um Leuthard handelt. Man gebe dazu derzeit keinen Kommentar ab, sagt Sprecher Giovanni Mariconda.
Die Staatsanwaltschaft teilt lediglich mit, dass man am Donnerstag um kurz vor 10.30 Uhr «im Zusammenhang mit einer privaten Notsituation» alarmiert worden sei. Die Kantonspolizei sei daraufhin ausgerückt. Der Einsatz habe bis kurz nach 12 Uhr gedauert. Verletzt wurde niemand.
Die Polizei soll den Angreifer gemäss Blick-Informationen festgenommen haben, dieser halte sich derzeit in einer psychiatrischen Klinik im Tessin auf. Da die Ermittlungen im Gang seien, würden weitere Informationen nicht veröffentlicht.
Schon in Vergangenheit bedroht worden
Leuthard reagiert nicht auf Anfragen von Blick. Auch von ihrer Partei, der Mitte, sind keine weiteren Informationen erhältlich. Aus dem Umfeld heisst es lediglich, es habe zu Zeiten, als Leuthard noch Bundesrätin war, eine Situation mit höherer Gefahrenbereitschaft gegeben. Damals handelte es sich um einen Querulanten ohne festen Wohnsitz, der in Mails Drohungen ausgesprochen hatte. Zu einer Eskalation sei es dann aber nicht gekommen.
Leuthard besitzt das Feriendomizil in Vairano seit vielen Jahren. Am Nachmittag, als Blick vor Ort ist, sind die Storen unten, das Haus wirkt verlassen. Der Gemeindepräsident von Gambarogno, Gianluigi Della Santa (56, FDP), zeigt sich betroffen über den Vorfall. «Ich kenne Frau Leuthard persönlich, ich habe sie ein paar Mal getroffen», sagt er zu Blick. Sie werde von den Anwohnern sehr geschätzt. «Auch wenn sie eine ehemalige Bundesrätin ist, gibt sie sich nicht als Star, sondern als ganz normale Person.» Zum Geschehenen könne und wolle er aber nichts sagen. Auch die Bewohner von Vairano kennen die berühmteste Nachbarin, auch wenn diese sich seit ihrem Rücktritt weniger dort aufhalte. Zum Vorfall äussern wollen sie sich jedoch nicht.