Freitagnachmittag, 15 Uhr, auf dem Vorplatz der Kathedrale Notre-Dame du Glarier in Sitten. Soldaten in Uniformen aus der napoleonischen Zeit und 17 Aspiranten der Polizei marschieren auf. Die 14 Männer und drei Frauen werden heute in der Bischofskirche als neue Gesetzeshüter des Rhone-Kantons vereidigt.
Ihren Schwur «Ehre und Treue» leisten sie auf die Verfassung vor dem Altar, Kreuz, Gott und dem Walliser Vorsteher des Departements für Sicherheit und Bildung – Oskar Freysinger (56). Doch ist der seit vergangenem Sonntag zwar immer noch der oberste politische Chef der Polizei, aber auch der erste abgewählte Walliser Staatsrat seit 80 Jahren.
Freysinger will nur noch tun, was nötig ist
Nach dem Wahldebakel ist der SVP-Vizepräsident abgetaucht. Der sonst so sprachmächtige, schlagfertige Politiker, der jahrelang jedes Mikrofon, jede noch so krude Veranstaltung nutzte, um seine Meinung ins Land zu posaunen, ist plötzlich ganz still.
Nur eine kurze Nachricht für seine Fans auf Facebook gab es. Am Mittwoch besuchte er die wöchentliche Sitzung der Regierung und teilte seinen Kollegen mit, er werde seine Tätigkeit bis zum Schluss am 30. April auf ein Minimum beschränken – nur noch tun, was unbedingt für seine Amtsausführung nötig sei.
Dazu gehört auch der Festakt mit den Gendarmen. Der riesige, unverarbeitete Frust von Freysinger ist an diesem Freitag fast mit Händen zu greifen. Vom «Frieden», den er laut seiner Mitteilung im sozialen Netzwerk «wieder gefunden hat», keine Spur: Grimmig, missmutig und angespannt schaut er in die Runde.
Auf die Frage von SonntagsBlick, ob er die Wahlklage seiner Partei unterstütze, reagiert er ausweichend. «Das muss die Partei entscheiden.» Am Freitag wurde nämlich auch bekannt, dass die Walliser SVP eine Beschwerde deponiert hat, wegen Unregelmässigkeiten bei der Stimmabgabe.
Das Wallis sei sicherer geworden, sagt der SVP-Vize
Auch die kurze Erkundigung, ob er sich ganz zurückziehe und sein Amt als Parteivize abgebe, kommentiert er mit einem Kopfschütteln. «Das weiss ich nicht.» Überhaupt wolle er keine Fragen beantworten. Immerhin: Als ihm der SonntagsBlick-Journalist die Hand reicht und ihm alles Gute für die Zukunft wünscht, huscht ein kurzes Lächeln über das braun gebrannte Gesicht des Mannes, der in Savièse oberhalb von Sitten lebt.
Einen Abschied vollzieht der Mann mit Rossschwanz auch in der Kirche. Es sei sein letzter öffentlicher Auftritt, lässt er alle gleich zu Beginn wissen. Nur für einen Moment kommt nochmals sein altes, robustes Ego zum Vorschein. Als er nämlich betont, während seiner vierjährigen Amtszeit sei das Wallis sicherer geworden.
Die Polizisten – gemeint ist natürlich vor allem er, Freysinger selber – hätten gute Arbeit geleistet. Auf seine kurze Ansprache, die, wie könnte es anders sein, mit einem Gedicht endet, klatschen die Leute Beifall. Es wirkt aber nicht wie eine zustimmende Akklamation, sondern wie ein Applaus zum Abschied.
Nicht als Staatsrat, sondern als Politiker gescheitert
Freysinger hat fertig gereimt. Er sei nicht als Staatsrat gescheitert, sondern als Politiker, sagt diese Woche ein hoher Exponent aus dem Wallis. Tatsächlich machte er seine Sache in der Regierung wohl gar nicht schlecht – sicher nicht schlechter als andere seiner Kollegen.
Doch auch als Exekutivpolitiker konnte es Freysinger nicht lassen, sein grosses Ziel zu verfolgen, seinen Antrieb vom ersten Tag an, überhaupt Politik zu machen: die Vormachtstellung der von ihm so verhassten CVP zu attackieren.
Deshalb versuchte er in einem Anflug von Selbstüberschätzung und Übermut die Christdemokraten zu spalten. Doch diese solidarisierten sich mit einem riesigen Kraftakt noch einmal und verurteilten den SVP-Mann zur politische Höchststrafe – der Abwahl.
Sonst hätte Freysinger, da sind sich alle im Wallis einig, die Hürde locker wieder genommen. Jubeln darf dafür die CVP. Mit dem frisch gewählten Staatsrat Roberto Schmidt (54) und Nationalrat Yannick Buttet (39) kommen sogar zwei der CVP-Corona an die Abschiedsvorstellung von Freysinger.
Polizeichef Varone gibt noch einen drauf
Der Abgewählte steht mittlerweile sichtlich schlecht gelaunt in der Mitte der Kathedrale, hinter ihm das grosse Kreuz im Altarraum. Er wartet bis der Anlass nach der offiziellen Vereidigung der Polizisten zu Ende geht.
Doch für Freysinger wird es nicht besser. Zum Schluss richtet der Walliser Polizeichef Christian Varone (53) noch einige Worte an das Publikum. Ausgerechnet der FDP-Exponent, der im März 2013 gegen den SVP-Widersacher die Ausmarchung für das oberste Leitungsgremium verlor. Er meint, wenigstens für ihn sei es sicher nicht das letzte Mal, dass er bei einer Amtseinführung von neuen Polizisten dabei sei. Das Publikum lacht nochmals kurz.
Autsch, das hat gesessen. Freysinger trottet von dannen.
Am Montag sollen in Sitten der neue Grossrat und der frisch gewählte Staatsrat vereidigt werden. Bereits um 8.15 Uhr treffen die gewählten Politiker in der Hauptstadt zusammen. Nach einem Gottesdienst in der Kathedrale werden zuerst die Parlamentarier und anschliessend die neue Regierung vereidigt.
Die SVP möchte das jetzt aber verhindern. «Die SVP Unterwallis überlegt sich, den Antrag zu stellen die Vereidigung der Staatsräte von der Tagesordnung zu nehmen», sagt der Präsident der SVP Oberwallis, Franz Ruppen (46). Die Exekutive könne so lange nicht vereidigt werden, bis die Strafanzeigen von Naters, Brig und Visp geklärt und die Wahlbeschwerde der SVP Unterwallis nicht mehr hängig sei.
Die drei Gemeinden hatten die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil wohl gegen 100 Stimmzettel aus Briefkästen geklaut wurden. Die Volkspartei, deren Staatsrat Oskar Freysinger (56) am Sonntag die Wiederwahl nicht schaffte, reichte darauf eine Beschwerde gegen das Wahlresultat ein.
Die SVP dürfte im Grossen Rat einen schweren Stand haben. Sie kommt nur auf 23 von 130 Sitzen. Auch die Beschwerde steht auf wackligen Füssen. Nach der Walliser Verfassung darf eine Wahl nur für ungültig erklärt werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Unregelmässigkeiten das Resultat entscheidend verändert haben. Und Freysinger liegt mehr als 2000 Stimmen hinter dem gewählten FDP-Kandidaten Frédéric Favre (37).
Entsprechend vorsichtig gibt sich Ruppen: «Für die Glaubwürdigkeit unseres Kantons hoffe ich, dass nicht noch mehr Unregelmässigkeiten auftauchen.» Wenn es bei den aktuellen Fällen bleibe, rechne er eher nicht damit, dass die Staatsratswahlen wiederholt würden. Entscheiden werde aber auf jeden Fall der Grossrat.
Am Montag sollen in Sitten der neue Grossrat und der frisch gewählte Staatsrat vereidigt werden. Bereits um 8.15 Uhr treffen die gewählten Politiker in der Hauptstadt zusammen. Nach einem Gottesdienst in der Kathedrale werden zuerst die Parlamentarier und anschliessend die neue Regierung vereidigt.
Die SVP möchte das jetzt aber verhindern. «Die SVP Unterwallis überlegt sich, den Antrag zu stellen die Vereidigung der Staatsräte von der Tagesordnung zu nehmen», sagt der Präsident der SVP Oberwallis, Franz Ruppen (46). Die Exekutive könne so lange nicht vereidigt werden, bis die Strafanzeigen von Naters, Brig und Visp geklärt und die Wahlbeschwerde der SVP Unterwallis nicht mehr hängig sei.
Die drei Gemeinden hatten die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, weil wohl gegen 100 Stimmzettel aus Briefkästen geklaut wurden. Die Volkspartei, deren Staatsrat Oskar Freysinger (56) am Sonntag die Wiederwahl nicht schaffte, reichte darauf eine Beschwerde gegen das Wahlresultat ein.
Die SVP dürfte im Grossen Rat einen schweren Stand haben. Sie kommt nur auf 23 von 130 Sitzen. Auch die Beschwerde steht auf wackligen Füssen. Nach der Walliser Verfassung darf eine Wahl nur für ungültig erklärt werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Unregelmässigkeiten das Resultat entscheidend verändert haben. Und Freysinger liegt mehr als 2000 Stimmen hinter dem gewählten FDP-Kandidaten Frédéric Favre (37).
Entsprechend vorsichtig gibt sich Ruppen: «Für die Glaubwürdigkeit unseres Kantons hoffe ich, dass nicht noch mehr Unregelmässigkeiten auftauchen.» Wenn es bei den aktuellen Fällen bleibe, rechne er eher nicht damit, dass die Staatsratswahlen wiederholt würden. Entscheiden werde aber auf jeden Fall der Grossrat.