Suchtkranke bekommen neu IV-Rente
Dank Urteil sparen Gemeinden bei der Sozialhilfe

Das Bundesgericht hat entschieden: Zukünftig sollen auch Suchtkranke eine IV-Rente bekommen können. Der Entscheid könnte die Gemeinden entlasten.
Publiziert: 06.08.2019 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2019 um 12:18 Uhr
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Das Bundesgericht entschied am Montag, dass Suchtkranke IV beziehen dürfen.
Foto: Keystone
Tobias Bruggmann

Alkohol-, Drogen- oder Medikamentensucht ist eine Krankheit – das hat am Montag das Bundesgericht offiziell bestätigt. Dieser Entscheid hat Folgen für die Betroffenen: Sie dürfen in Zukunft eine IV-Rente betragen. Eine gute Nachricht nicht nur für Süchtige – auch die Gemeinden könnten profitieren.

Die IV-Renten werden nämlich vom Bund bezahlt – anders als die Sozialhilfe, für welche die Gemeinden aufkommen müssen. Wie viele Suchtkranke heute Sozialhilfe beziehen, wird nicht erfasst. Aber: «Suchterkrankungen gehen einher mit einem erhöhten Risiko für Sozialhilfeabhängigkeit, das mit fortschreitender Abhängigkeitserkrankung wächst», antwortete der Bundesrat bereits 2016 auf eine Interpellation von SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler (43).

Keine klaren Zahlen

Es wird sich also erst zeigen, wie viel die Kantone und Gemeinden sparen. «Eine Grössenordnung abzuschätzen, ist schwierig, es wird aber Fälle geben, die von der Sozialhilfe in die IV wechseln», sagt Markus Kaufmann, Geschäftsführer der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Er rechnet damit, dass Suchtkranke in der Zukunft weniger Anträge auf Sozialhilfe stellen werden, sondern sich an die IV wenden.

Auch Experten tun sich schwer damit abzuschätzen, wie viele IV-Renten der Bund neu bezahlen muss. «Selbst eine Annäherung ist schwierig und jede Krankheit ist ein individueller Fall», sagt Monique Portner-Helfer, Sprecherin von Sucht Schweiz. Der Fachverband Sucht wiederum verweist auf die hohe Dunkelziffer, die eine Schätzung rein spekulativ machen würde. 

«Wir gehen nicht von erheblichen Mehrkosten aus»

Das Bundesamt für Sozialversicherungen, das die IV-Stellen koordiniert, rechnet nicht mit einem Anstieg der Renten, wie Corinne Zbären gegenüber der «Tagesschau» sagt. «Wir gehen nicht von erheblichen Mehrkosten aus.» Auch als das Bundesgericht die Praxis bezüglich psychisch Erkrankter geändert habe, hätte dies nicht zu mehr Renten geführt. 

Die Sozialhilfekosten sind für die Gemeinden ein grosses Problem. Zum Beispiel ging im Kanton Luzern 2014 mehr als ein Drittel aller Ausgaben auf Gemeindeebene in die soziale Wohlfahrt. Kein Einzelfall: In kleinen Landsgemeinden reichen bereits Einzelfälle, um die Kassen zu leeren. 

Arzt muss IV-Rente bestätigen

Damit ein Süchtiger eine IV-Rente bekommt, muss klar sein, dass die betroffene Person nicht arbeiten kann. Das entscheidet ein Arzt. Dazu kann der Suchtkranke zu einer Therapie verpflichtet werden. Macht er diese nicht, werden die Leistungen gekürzt oder ganz gestrichen.

Markus Kaufmann von der Skos freut sich aber noch aus einem anderen Grund über den Entscheid des Bundesgerichts: «Die IV hat oft mehr Möglichkeiten und die besseren Instrumente, um die Betroffenen bei der beruflichen Integration zu unterstützen.»

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