Nach dem 58,9-Prozent-Nein zur Durchsetzungs-Initiative
Wie weiter, SVP?

Die Schweiz verwirft die Durchsetzungs-Initiative. Dieses Nein verändert die Politik, tut unserem Land gut – und weist die SVP in die Schranken.
Publiziert: 28.02.2016 um 21:46 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:14 Uhr
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Enttäuschung und Ernüchterung: Mitglieder und Sympathisanten der SVP beugen sich noch einmal über die Argumente ihrer Partei.
Foto: Joseph Khakshouri

Für die SVP gab es gestern nichts zu feiern, gar nichts. Die grösste Schweizer Partei, die im Herbst 2015 über alle anderen triumphiert und einen historischen Sieg eingefahren hatte, die ­einen ihr genehmen zweiten Bundesrat erhalten hatte – sie wurde brüsk gestoppt. Die Partei hat mit der Durchsetzungs-Initia­tive alles auf eine Karte gesetzt und haushoch verloren.

Als Nochpräsident Toni Brunner gestern drohte, die SVP werde eine Strich­liste führen und überprüfen, wie viele Ausländer tatsächlich ausgeschafft würden, war das ein hilfloser Ablenkungsversuch. Mehr als 58 Prozent der Stimmenden lehnten die SVP-Initiative ab. Auch für das Ständemehr reichte es nicht. Nur sechs Kantone stimmten der Initia­tive zu: Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Appenzell Innerrhoden und das Tessin.

Für Beat Flach (GLP/AG) vom überparteilichen bürgerlichen Nein-Komitee ist klar: «Das ist ein Sieg der Bürgerlichen und der Linken.» Nie zuvor hätten sich so viele Bürger, so viele Organisationen und Verbände vor einer Abstimmung engagiert. FDP-Vizepräsident Christian Wasserfallen (BE) nimmt die SVP in die Pflicht: Sie müsse im Parlament wieder mehr Verantwortung tragen.

Die Niederlage schmerzt die SVP, denn sie betrifft ihr Kerndossier Ausländer. Und sie wird nicht ohne weitere Folgen bleiben.

Erstens wird die Niederlage der SVP die Schweizer Politik verändern. Immerhin ist die Partei erstmals mit einer Initiative gescheitert, die auf ohnehin schon extremen Vorgänger-Volksbegehren aufbaute. Bisher folgte die Partei der Logik: Wenn man mit einer krassen ­Initiative Erfolg hat, kann man getrost noch ein Brikett nachlegen. Doch jetzt hat die Bevölkerung der SVP die Gefolgschaft versagt. Und erst noch dort, wo die Partei bisher unschlagbar schien: bei einem Ausländerthema.Das Eskalationsprinzip der SVP scheint durchbrochen. Und damit ist es wie im Boxen. Ist der Sieger-Nimbus weg, baut das den Gegner auf.

Zweitens hat sich die Bevölkerung ohne Wenn und Aber hinter die bisherige Rollenteilung in der Schweizer Politik gestellt und die SVP in die Schranken gewiesen: Initiativen sind dazu da, um Probleme zu benennen. Die Umsetzung von Lösungen muss das Parlament an die Hand nehmen. Und dazu soll es über einen grossen Handlungsspielraum verfügen.

Die SVP hingegen wollte ein für alle Mal ihre Vorstellung von Aufgabenteilung verankern: Das Volk sollte auch gleich bestimmen, wie eine Initiative umgesetzt wird. Doch dafür fand sie keine Mehrheit.

Dazu kommt wie schon bei der Einbürgerungs-Initiative oder derjenigen zur Volkswahl des Bundesrats, dass breite Bevölkerungskreise der Partei misstrauen, wenn sie einen Systemwechsel vorschlägt. Viele finden die SVP gut, wenn sie die Probleme anspricht. Nicht aber, wenn sie Bewährtes auf den Kopf stellen will. Die SVP liess im Abstimmungskampf aber keine Schweizer Institution aus – Bundesrat, Parlament und Richter bekamen ihr Fett weg. Politisieren «mit der Motor­säge» nennt das Fraktionschef Adrian Amstutz. Mit dem Resultat, dass nun womöglich sogar der Spielraum zur Umsetzung der SVP-Masseneinwanderungs-Initiative grösser geworden ist, wie Politologe Michael Hermann glaubt.

«Wie weiter?», müssen die SVP-Strategen fragen. Der de­signierte Parteipräsident Albert Rösti gab sich gestern in der Niederlage sehr moderat. Auch wenn er die Durchsetzungs-Initiative voll unterstützt habe, respektiere man den Volkswillen voll und ganz, hielt er fest.

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