Nach Cassis-Wahl ...
Und jetzt freie Fahrt für gute Frauen!

Mit der Wahl von Ignazio Cassis sind alle Sprachregionen im Bundesrat vertreten. Jetzt rückt die weibliche Untervertretung in den Fokus. Deutschschweizer Frauen mit Bundesratsambitionen aus CVP und FDP haben beste Chancen, bald zum Zug zu kommen.
Publiziert: 20.09.2017 um 23:34 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 10:27 Uhr
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Viola Amherd (CVP) ist eine der Kandidatinnen, die bei der nächsten Wahl in den Bundesrat gewählt werden könnte.
Foto: EQ Images
Nico Menzato und Ruedi Studer

Der grosse Gewinner des gestrigen Tages ist der Kanton Tessin: Mit Ignazio Cassis (56) ist die Sonnenstube der Schweiz nach 18 Jahren Absenz wieder im Bundesrat vertreten. Zu den Siegern gehört auch die FDP-Parteileitung. Sie brachte ihren Favoriten souverän ins Trockene.

Ohrfeige für Moret

Bereits der zweite Wahlgang machte die Sache klar: Der FDP-Fraktionschef vereinte 125 Stimmen auf sich. Der Genfer Pierre Maudet (39) kam auf respektable 90 Voten. Mit nur 28 Stimmen abgeschlagen auf Platz 3 landete Isabelle Moret (46). Die Waadtländer Nationalrätin lieferte einen schwachen Wahlkampf und wurde auch von der SP, die vehement mehr Bundesrätinnen fordert, gnadenlos abserviert.

Der neue Bundesrat wird jedoch nur für kurze Zeit in dieser Formation regieren. Drei Rücktritte stehen an. Doris Leuthard (54, CVP) hat ihren Abgang bis spätestens Ende 2019 angekündigt, dürfte aber schon 2018 das Feld räumen. Johann Schneider-Ammann (65, FDP) und auch Ueli Maurer (66, SVP) werden ebenfalls bis Ende 2019 ihr Amt abgeben.

Frauen in der Pole-Position

Die Krönung von Cassis hat Folgen: Frauen haben im Bundesratspoker jetzt viel bessere Karten! Grund: Wenn Leuthard abtritt, verbleibt Simonetta Sommaruga (57) als einzige Frau. Dies sei eine unerträgliche Vorstellung, wie die SP-Magistratin am Swiss Media Forum sagte. Der Druck auf die Christdemokraten, eine Kandidatin zu portieren, wird gross. Schon jetzt sagt CVP-Chef Gerhard Pfister (54, ZG): «Auf unser Ticket muss mindestens eine Frau.»

Die Aktien der CVP-Frauen sind damit in die Höhe geschossen. Als mögliche Kandidatinnen werden die Nationalrätinnen Viola Amherd (55, VS), Ruth Humbel (60, AG) und Elisabeth Schneider-Schneiter (53, BL) gehandelt. Ebenso Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (59, TG) und die Zürcher Regierungsrätin Silvia Steiner (59).

Die männliche Konkurrenz bleibt aber hart. Potenzielle Anwärter wie die Ständeräte Konrad Graber (59, LU) und Stefan Engler (57, GR) sowie Parteichef Pfister werden darauf verweisen, dass die Ost- und Zentralschweiz nicht im Bundesrat vertreten sind und der CVP-Sitz nun jahrelang in Frauenhand war. Ihre Chancen bleiben intakt. In der CVP gibt es aber einen grossen Verlierer: Der Tessiner Fraktionschef Filippo Lombardi (61) muss seine Ambitionen definitiv begraben.

Reines FDP-Frauenticket bei Schneider-Ammann-Ersatz?

Noch mehr in Frauen-Zugzwang als die CVP steht die FDP. Und das unabhängig von der Leuthard-Nachfolge. Mit Elisabeth Kopp (80, ZH) haben die Freisinnigen in 169 Jahren Bundesstaat gerade mal eine einzige Bundesrätin gestellt. Die FDP-Frauen warten seit Ende des Kalten Kriegs auf ihre Rückkehr in die Landesregierung.

Bei der Schneider-Ammann-Ersatzwahl fordern die FDP-Frauen bereits ein Frauen-Doppelticket. Um einen Namen kommen die Freisinnigen dabei nicht herum: Ständerätin Karin Keller-Sutter (53). Die St. Gallerin, die bei der Merz-Nachfolge 2010 gegen Schneider-Ammann den Kürzeren zog, wird sich aber nur aufstellen lassen, wenn sie sich ihrer Wahl sicher ist. Allerdings stellt sich dann die Frage, wer sich neben ihr als «Damenopfer» nominieren lässt. Verzichtet die ehemalige Regierungsrätin, könnten Parteichefin Petra Gössi (41, SZ) oder Regierungsrätin Carmen Walker Späh (59, ZH) in die Bresche springen.

FDP-Männer brauchen viel Geduld

Alle männlichen FDPler mit Drang zum höchsten politischen Amt kommen in die Zwickmühle. Riskieren sie es, neben einer Frau verheizt zu werden oder warten sie ein weiteres Jahrzehnt? So oder so: Die Chancen der bislang gehandelten Bundesratsanwärter – etwa der Ständeräte Martin Schmid (48, GR) oder Ruedi Noser (56, ZH) – sind auf ein Minimum gesunken.

Kaum Auswirkungen hat die Cassis-Wahl auf die SVP. Eigentliche Kronfavoriten stechen noch keine heraus. Und die Frauen stehen bei der Sünneli-Partei noch im Schatten. Doch für mögliche Kandidatinnen wie die Nationalrätinnen Magdalena Martullo-Blocher (48, GR) und Natalie Rickli (40, ZH) oder Regierungsrätin Monika Knill (45, TG) gibt es einen Lichtblick: Um Frauenpower kommt früher oder später keine Bundesratspartei herum.

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