Die Kantonsgerichte in der Schweiz sind klar bürgerlich. Das hat eine BLICK-Umfrage bei den Kantonen ergeben. Mehr als zwei Drittel aller kantonalen Richtersitze sind in der Hand von SVP, FDP, CVP, GLP und BDP. Die Sozialdemokraten haben abgerundet nur etwa 16 Prozent davon, trotz einem Wähleranteil von 18 Prozent (kantonal). Einzeln betrachtet kommt die SVP in dieser Darstellung sogar noch schlechter weg: Mit einem Wähleranteil von 23 Prozent besetzt sie nur rund 14 Prozent der Sitze, trotz dem Prinzip der proportionalen Verteilung nach Wähleranteilen.
Die Frage sei nicht links/rechts, sondern SVP/Rest
Doch den Zürcher SVP-Nationalrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt mag der Umstand nicht empören: «Ich sehe kein Problem in dieser Angelegenheit.» Nach seiner Wahrnehmung werde bei der Neubesetzung von Richterstellen auf die jeweilige Parteistärke so weit wie möglich Rücksicht genommen. Die proportionale Verteilung sei dort ein omnipräsentes Thema. «Deshalb glaube ich nicht, dass Parteien bei der Vergabe von Richterpositionen systematisch benachteiligt werden.» Hinzu komme, dass die Unter- oder Übervertretung von einzelnen Parteien auch mit der Verschiebung von Wähleranteilen zu tun habe, die Verteilung der Richterpositionen hinke da der Parteistärke hintennach.
Dass die bürgerlichen Parteien über zwei Drittel der Richter stellen, spielt laut Vogt in vielen Bereichen kaum eine Rolle. Denn gerade bei gesellschaftspolitischen Themen wie etwa Scheidung und Familie stehe die SVP alleine da. «Die Frage ist also nicht links/rechts, die Trennlinie verläuft hier zwischen der SVP und dem Rest.» Auch im Ausländerrecht und zum Teil im Strafrecht würden SVP-Richter eher strenger urteilen als die anderen. «Darum wirkt sich die Untervertretung der SVP-Richter bestimmt aus.»
Die Richter müssen das Parteienspektrum abdecken
Eben doch ein Problem ist es für den Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer. Er ist Mitglied der Gerichtskommission – des Gremiums, das die Vorbereitungen zu den Wahlen in eidgenössische Gerichte wie das Bundesgericht trifft – und erstaunt, als BLICK ihm die Zahlen vorlegt: «Ich wusste nicht, dass die SP auf kantonaler Ebene derart untervertreten ist.» In der Gerichtskommission kämpfe er erfolgreich dafür, dass die Partei in den Bundesgerichten entsprechend Einsitz erhält: «Das ist eine Fleissarbeit, die auch in den Kantonen möglich sein sollte.» Um Vertrauen in die Gerichte zu schaffen, müsste das ganze Spektrum der Parteien – und zwar proportional zu den Wähleranteilen – abgedeckt sein, findet er.
Als weniger gravierend empfindet der FDP-Ständerat Andrea Caroni die Situation. Der 37-jährige Appenzeller glaubt zwar auch, dass der Richter-Parteiproporz nötig ist, um die Gerichte zu legitimieren. Aber: «Es muss auch ein qualitativer Mindeststandard gesichert sein.» Dieses Kriterium ist für ihn ebenso zu beachten wie die proportionale Verteilung der Sitze: «Die Untervertretung von zwei bis drei Prozent der SP zum Beispiel ist für mich geringfügig, so dass hier das Qualitätskriterium klar vorgeht.» Hätte die SP aber in diesem Beispiel drei Prozent der Richter bei rund 20 Prozent Wähleranteil, sollte der Proporz wieder stärker gewichtet werden.