Der frühere Post-Konzernchef Jürg Bucher (72) sah schon 2011, dass Postauto ein Gewinnproblem hat. Denn die Kantone und das Bundesamt für Verkehr (BAV) akzeptierten die Gewinne nicht mehr. Laut eigener Aussage traktandierte er die Problematik deshalb an einem Treffen mit der Spitze des Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek).
Dokumente zu diesem Postrapport vom 8. September 2011, die BLICK publik machte, belegen, dass die Uvek-Verantwortlichen um die damalige Bundesrätin Doris Leuthard (56) tatsächlich informiert wurden. Und der Postauto-Chef Daniel Landolf (59) machte explizit auf den «Handlungsbedarf» aufmerksam.
Landolf-Mail weist in die selbe Richtung
Das bestätigt auch der Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard zum Postauto-Bschiss. Darin zitieren die Autoren aus einer Mail Landolfs, die dieser an jenem Donnerstag um 12.07 Uhr verschickte. Der Uvek-Vertreter – wohl der damalige stellvertretende Uvek-Generalsekretär Lukas Bruhin (51) – habe das Thema aufgenommen. Es werde nun departements-intern diskutiert. Doch nichts geschah.
Dies, obwohl die Post-Leitung um Präsident Peter Hasler (72) sowie Konzernchef Bucher am Meeting klar gemacht hatte, dass man Gewinne machen müsse. Zitat: «Alle Standbeine der Post müssen sich unternehmerisch ausrichten, eine Quersubventionierung von Postauto ist ausgeschlossen.» Und weiter: «Postauto muss am Markt die Preise durchdrücken.» Preise wohlgemerkt, die zu hoch waren, da sie eine unerlaubte Gewinnmarge vorsahen.
Verkehrskommission soll tätig werden
«Das ist ein Skandal!», sagt der abtretende SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (66) dazu. Am Montag und Dienstag tage die Verkehrskommission in Bern. «Ich werde zum letzten Mal dabei sein und dennoch beantrage ich, dass auf den Tisch kommt, was Frau Leuthard wusste.» Schon beim Postauto-Abenteuer in Frankreich, bei Carpostal France, sei das Parlament angelogen worden. Und auch jetzt zeige sich, dass die frühere Postleitung und das Departement Leuthard mehr wussten, als sie zugaben.
Auch FDP-Nationalrat Thierry Burkart (44) ist überzeugt: «Die Tragweite der betrügerischen Machenschaften ist eben doch grösser, als man uns glauben machen wollte.» Er erwarte vom Bundesamt für Polizei, dass es das Verwaltungsstrafverfahren gründlich führe, aber zügig voranbringe und so rasch wie möglich abschliesse.
Für SP-Verkehrspolitiker Thomas Hardegger (63) ist es «fatal, wenn eine Bundesrätin weiss, dass es Probleme mit den Gewinnen gibt, aber dann nicht handelt». Das gehe einfach nicht. Laut dem Nationalrat hätte Leuthard in ihrem Departement die Strukturen schaffen müssen, um wirksame Kontrollen durchzuführen und Änderungen einzuleiten. «Dass sie als Bundesrätin nicht die notwendigen Ressourcen und Zuständigkeiten geschaffen hat, ist ihr vorzuwerfen.»
Burkart wie Hardegger wollen jetzt den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens abwarten, um zu wissen, was die strafrechtlichen Folgen des Skandals sind.
GPK-Bericht ist unterwegs
Zudem ist ein Bericht der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK) zum Postauto-Bschiss unterwegs. Verfasst hat den GPK-Bericht die fürs Uvek zuständige Unterkommission. Drei Personen, die den Inhalt des Berichts kennen wollen, versichern BLICK, er sei wenig ergiebig. Giezendanner verlangt dennoch, dass die Verkehrskommission den Bericht so rasch wie möglich zu Gesicht bekommt. Erweise sich dieser als unbrauchbar, müsste der Postauto-Skandal allenfalls der Geschäftsprüfungsdelegation übertragen werden, die das staatliche Handeln in besonders heiklen Fällen untersucht.
Bei der Post selbst wartet man ebenfalls gespannt den Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens ab. Für Beobachter sind die vom Bund gemachten Gewinnerwartungen an den gelben Riesen ein Grund, dass der Bund bei den Postauto-Gewinnen nicht genau hinsah. Die Post hatte dem Staat jährlich 200 Millionen Franken Dividende abzuliefern. Das dürfte geändert werden. Der Bundesrat überarbeitet laut der Post derzeit die strategischen Ziele für die Jahre 2021 bis 2024. Und als Sofortmassnahme gibt die Post selbst seit Februar 2018 ihrer Postauto-Tochter nur noch Qualitätsziele vor. Die Gewinnvorgaben hat sie gestrichen.