Mutter von Raser-Opfer Carina (†15) klagt Politiker an
«Meine Tochter ist umsonst gestorben»

Die Politik will die Strafen gegen Raser aufweichen. Strassenopfer wehren sich dagegen.
Publiziert: 28.02.2018 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:30 Uhr
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Friedhof in Schönenberg ZH: Der Gedenkstein für Tochter Carina (†15).
Foto: Anja Wurm
Michael Sahli

Wird jetzt bei der Bestrafung von Bleifüssen auf die Bremse gedrückt? Denn nach dem Ständerat will nun auch die grosse Kammer die Raser-Paragrafen aufweichen. Die im Gesetzespaket «Via sicura» festgelegte Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis für Raser soll wegfallen, die Richter beim Urteilen mehr Spielraum erhalten. Und das empört die Strassenopfer.

Der 13. August 2003 hat das Leben von Franziska Riedtmann (56) aus Mumpf AG für immer schmerzlich verändert. «Es war ein heisser Abend, als meine Tochter Carina (†15) mit dem Velo losfuhr», erzählt sie. «Sie wollte beim nahen Bauernhof Futter für ihre Schmetterlingsraupen holen.»

Totraser fuhr mit 170 km/h über die Landstrasse

Als die Mutter ihre Tochter das nächste Mal sah, war Carina tot. Ein notorischer Raser hatte das Mädchen auf einer Landstrasse mit seinem Porsche erfasst – geschätzte Kollisionsgeschwindigkeit: 135 Stundenkilometer. Laut Gutachten bretterte der Totraser mit 170 km/h durch die Gegend. «Heute sehe ich die Bilder, wie sie tot am Boden liegt, nicht mehr jeden Tag. Ich sehe sie, wie sie lebt», sagt die Mutter.

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Später tritt Franziska Riedtmann dem Komitee der Raserinitiative bei – aus der schliesslich das aktuelle Gesetz erwuchs. Sie erzählt ihre Geschichte in sämtlichen Medien, damit das damals geltende Gesetz endlich verschärft werde. «Der Killer meiner Tochter musste keinen Tag ins Gefängnis. Er wohnte im Nachbardorf, ich sah ihn mit dem Auto weiter herumkurven. Da bekommt man als Mutter fast Mordgedanken. Wollen wir jetzt dahin zurück?»

«Es fühlt sich an, als wäre Carina umsonst gestorben»

Der Kampf gegen Raser brachte Franziska Riedtmann ein Stück inneren Frieden zurück: «Ich wollte verhindern, dass andere Mütter erleben müssen, was ich erlebte.» Nun muss Riedtmann wieder kämpfen. «Wird das Gesetz wieder aufgeweicht, fühlt es sich an, als wäre Carina umsonst gestorben», sagt sie.

Dass Richter mehr Entscheidungsspielraum erhalten, stört Riedtmann nicht per se. Klar, sei es ein Unterschied, ob man am Morgen vor einer Schule rast oder nachts auf einer verlassenen Autobahn. Aber: «Wenn dieser Spielraum dann wieder dazu führt, dass Totraser wie der Killer meiner Tochter quasi straffrei davonkommen, kann das einfach nicht sein.»

«Es kann auch eure Kinder treffen!»

Riedtmann ist von der Politik schwer enttäuscht. «Dabei sollten doch auch unsere National- und Ständeräte an sicheren Strassen interessiert sein!» 

Zwar wisse sie, dass auch die härtesten Strafen ihre Tochter nicht zurückbringen können. Aber: «Die harten Strafen sind trotzdem ein Signal. Man könnte immerhin zukünftige Opfer retten.»

Riedtmann hat gelernt, mit dem Verlust zu leben. «Nur wenn ich frühere Kolleginnen von Carina sehe, die mittlerweile Mütter sind, macht mich das traurig.» Deshalb sollen die Politiker immer daran denken: «Es kann auch eure Kinder treffen.»

Rasergesetz: Darum geht es

2010 lancierte die Stiftung Road Cross die Volksinitiative Schutz vor Rasern. Sie forderte, dass Raser angemessen bestraft werden. Abgestimmt wurde nie, denn die Initianten zogen das Begehren zurück, nachdem der Bundesrat das Anliegen in das Gesetzespaket «Via sicura» aufgenommen hatte.

«Via sicura» soll die Sicherheit im Strassenverkehr erhöhen und trat 2013 in Kraft. Seitdem gilt als Raser, wer in einer 30er-Zone mit 70 km/h fährt oder mit mehr als 200 km/h auf der Autobahn. Die Mindeststrafe liegt bei einem Jahr Gefängnis. Zudem wird der Fahrausweis für mindestens zwei Jahre entzogen.

Zu streng für den Tessiner CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (55). Er forderte schon 2015, dass das Gesetz wieder gelockert wird. Das wurde zunächst abgelehnt. Nun aber – durch eine Motion der Verkehrskommission, haben National-und Ständerat die Aufweichung des Gesetzes beschlossen. Der Bundesrat muss es jetzt anpassen. Viel Spielraum hat er nicht. Zum Schluss muss das Parlament die Änderung absegnen.

2010 lancierte die Stiftung Road Cross die Volksinitiative Schutz vor Rasern. Sie forderte, dass Raser angemessen bestraft werden. Abgestimmt wurde nie, denn die Initianten zogen das Begehren zurück, nachdem der Bundesrat das Anliegen in das Gesetzespaket «Via sicura» aufgenommen hatte.

«Via sicura» soll die Sicherheit im Strassenverkehr erhöhen und trat 2013 in Kraft. Seitdem gilt als Raser, wer in einer 30er-Zone mit 70 km/h fährt oder mit mehr als 200 km/h auf der Autobahn. Die Mindeststrafe liegt bei einem Jahr Gefängnis. Zudem wird der Fahrausweis für mindestens zwei Jahre entzogen.

Zu streng für den Tessiner CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (55). Er forderte schon 2015, dass das Gesetz wieder gelockert wird. Das wurde zunächst abgelehnt. Nun aber – durch eine Motion der Verkehrskommission, haben National-und Ständerat die Aufweichung des Gesetzes beschlossen. Der Bundesrat muss es jetzt anpassen. Viel Spielraum hat er nicht. Zum Schluss muss das Parlament die Änderung absegnen.

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