Mowag-Chef Oliver Dürr verteidigt den Armee-Transporter
«Der Duro ist ein tolles Fahrzeug»

Mowag-Chef Oliver Dürr erweckt den Eindruck, der Duro sei ein Verlustgeschäft. Vor allem, wenn die Mowag mehrere Millionen Konventionalstrafe zahlen muss, weil sich die Auslieferung verspätet. Dürr will die Verzögerung aufholen. Er klagt über Falschmeldungen.
Publiziert: 20.08.2019 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2019 um 10:37 Uhr
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Mowag-Chef Oliver Dürr verteidigt das Duro-Programm.
Foto: Thomas Meier
Interview: Pascal Tischhauser, Bilder: Thomas Meier

2015 hat das Parlament beschlossen, 2220 Duros vollständig zu überholen. Der Auftrag ging an die Thurgauer Mowag. Und die stand von Beginn weg in der Kritik. Zunächst wegen des hohen Preises: Immer wieder wurde moniert, dass die einst für 140'000 Franken angeschafften Mannschaftstransporter nun für über 200'000 Franken pro Stück saniert würden. Schlagzeilen machten auch fehlerhafte Teile. Hinzu kam, dass der Duro-Motorenlieferant Steyr insolvent ist. Mowag setzt nun auf einen Fiat-Motor, doch über 200 Steyr-Motoren wurden bereits eingebaut. Der Motorenwechsel verteuert den Duro nicht nur, es droht auch eine verspätete Auslieferung und damit eine Konventionalstrafe für die Mowag. Erstmals nimmt Mowag-Chef Oliver Dürr (47) ausführlich Stellung zum Debakel. Er empfängt BLICK in den neuen Mowag-Produktionshallen in Tägerwilen TG.

BLICK: Herr Dürr, können Sie aus Schrott Gold machen?
Oliver Dürr: Schön wärs. Was wir aber machen: aus einem guten bestehenden Fahrzeug ein noch besseres neues Auto. Da sind wir beim Duro dran.

Aber für eine enorme Summe: 212'000 Franken kostet ein Fahrzeug. Das ist für aufgemöbelte Occasionen viel Geld.
Ihr Betrag ist zu hoch. Der Stückpreis liegt klar darunter. Der Duro ist ein Spezialfahrzeug, das mindestens 20 Jahre lang halten muss. Er muss durch tiefe Bäche fahren und mit unterschiedlichen Treibstoffen betankt werden können. Solche militärischen Anforderungen machen ein Auto teurer. Und auch die heutigen Sicherheitsanforderungen: Jeder Soldat kann sich im Duro angurten. Er ist so konzipiert, dass die Insassen es überleben, wenn er sich überschlägt.

Es wäre doch gescheiter gewesen, neue Autos zu kaufen.
Halt! Erstens käme ein gleichwertiger Neuwagen nicht günstiger. Zweitens macht es doch Sinn, wenn wir das noch tadellose Chassis der Firma Bucher und die vor 20 Jahren von Bucher entwickelte und von der Ruag gefertigte Fahrerkabine aus Aluminium weiterverwenden. Für rund 200'000 Franken hat die Schweizer Armee hier die nächsten 20 Jahre ein tolles Fahrzeug. Die Politik hat hier ein ressourcenschonendes und damit zeitgemässes Programm angestossen.

Zeitgemäss ist vor allem der Fiat-Motor, den Sie jetzt einbauen. Dies aber nur, weil der Motorenlieferant Steyr insolvent ist. Sie hätten sonst einen veralteten Euro-3-Motor eingebaut.
Als wir den Auftrag erhielten, gab es noch keinen Motor mit Euro-Norm-6 auf dem Markt, bei dem man verschiedene Treibstoffe tanken kann. Wegen des Konkurses von Steyr verbauen wir nun den moderneren Fiat-Motor. Wir haben aber bereits 240 Autos mit Steyr-Motoren ausgerüstet. Bei diesen müssen wir den Motor nun austauschen.

Ein St. Galler im Thurgau

Der 47-jährige St. Galler Oliver Dürr ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Der gelernte Mechaniker mit Weiterbildung zum Technischen Kaufmann leitet die Mowag seit Ende 2014.
Das Thurgauer Traditionsunternehmen, das auf geschützte Radfahrzeuge spezialisiert ist, gehört seit 2003 zum amerikanischen Rüstungskonzern General Dynamics.

Der 47-jährige St. Galler Oliver Dürr ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Der gelernte Mechaniker mit Weiterbildung zum Technischen Kaufmann leitet die Mowag seit Ende 2014.
Das Thurgauer Traditionsunternehmen, das auf geschützte Radfahrzeuge spezialisiert ist, gehört seit 2003 zum amerikanischen Rüstungskonzern General Dynamics.

Der Austausch verzögert die Auslieferung der Duros. Schaffen Sie es trotzdem, das letzte Fahrzeug im Mai 2022 abzuliefern?
Ich will den Termin einhalten. Ob wir die sechs Monate Verspätung aufholen können, muss sich weisen. Es ist ja nicht so, dass unsere Leute die Hände in den Schoss gelegt hätten, um auf den neuen Motor zu warten. Wir haben weitergearbeitet, wo wir konnten. Mein Ziel ist es, die Konventionalstrafe nicht zu zahlen.

Wie hoch ist die Strafe?
Einige Millionen, jedenfalls eine sehr schmerzhafte Summe. Wir haben uns ja nicht grundlos mit drei weiteren Grosskunden darum bemüht, Steyr zu übernehmen. Es gibt einen Markt für Spezialmotoren. Wir hätten das Werk und die Arbeitsplätze gerne erhalten. Leider ist uns das nicht geglückt.

Warum hat die Übernahme von Steyr nicht geklappt?
Nur so viel: Der Umgang mit dem Insolvenzverwalter war extrem schwierig.

Zurück zum Duro: Der Motorenwechsel verursacht Mehrkosten. Armasuisse beteiligt sich mit 3500 Franken pro Fahrzeug daran. Tragen Sie die andere Hälfte?
Ja, wir teilen uns die Mehrkosten für die Umrüstung auf umweltfreundlichere Euro-6-Motoren hälftig. Euro-3-Motoren hätten zu den gleichen Kosten für Armasuisse eingebaut werden können. Aber wir haben nun auch noch die Mehrarbeit für den Ausbau der bereits verbauten Steyr-Motoren. Zudem sitzt die Mowag auf diesen Motoren. Glauben Sie mir: Die Duro-Umrüstung ist für uns eine Herzensangelegenheit, aber mittlerweile finanziell nicht mehr interessant.

Ich glaube Ihnen nicht, dass die Mowag nichts mehr verdient.
Stand heute ist es so. Aber ich verhehle nicht, dass wir anderweitig profitieren wollen: Für uns als Schweizer Firma ist es wichtig, vom Schweizer Militär Aufträge zu haben. Hätten wir diese nicht, würden sich ausländische Armeen fragen, weshalb uns der Bund nicht traue. Zudem ist der Duro ein gutes Produkt. Denken Sie an den Bergsturz in Bondo, da war man froh um das Auto.

Also bei Naturkatastrophen.
Genau. Die Engländer haben uns beispielsweise um 30, 40 Fahrzeuge gebeten, als es dort Überschwemmungen gab. Mit normalen Lastwagen kamen sie nicht mehr weiter. Mit dem Duro können Sie aber durch 80 Zentimeter hohes Wasser fahren. Ich glaube daran, dass es für ihn einen zivilen Markt gibt.

Trotz all der Dinge, die nicht funktionieren?
Trotz all der falschen Vorwürfe: Der Duro ist ein tolles Fahrzeug. Auch die derzeitigen Tests der Armasuisse bestätigen das. Letzte Woche haben wir 4000 Wasserdurchfahrten absolviert. Jetzt sind wir in der Kältekammer. Der Duro muss mit dem neuen Motor auf 2000 Metern Höhe bei minus 25 Grad in einer bestimmten Zeit anlaufen. Bislang läuft alles sehr gut.

Welche Vorwürfe sind in Ihren Augen denn falsch?
Bislang liegt mir keine einzige Meldung vor, dass sich tatsächlich Kondenswasser in den Schweinwerfern bilde. Auch dass der Duro bloss mit 15 Sekunden Verzögerung starte, stimmt so nicht. Wenn Sie Ihren Laptop nicht bloss zuklappen, sondern ganz ausschalten, braucht er auch einige Zeit, um aufzustarten. Es ist aber wichtig, dass Sie den Duro ganz vom Strom trennen können. So können Sie ihn auch starten, wenn er im Winter wochenlang nicht benutzt wurde. Es ist mir schleierhaft, weshalb stets Falschmeldungen verbreitet werden.

Grosse Rüstungsaufträge werden unterschiedlich beurteilt.
Man kann für oder gegen diesen Auftrag sein. Man kann generell mit der Rüstungsbranche ein Problem haben. Und man kann kritisieren, dass immer nur Armeen unsere Produkte kaufen. Das akzeptiere ich. Das erklärt aber die Falschmeldungen nicht.

Mowag ist die Tochter eines US-Rüstungskonzerns. Sie bauen Panzer.
Wir bauen Fahrzeuge wie den Piranha-Radschützenpanzer. Seine Aufgabe ist es, die Insassen vor Minen und Granaten zu schützen. Wir haben in den letzten vier Jahren 400 Arbeitsplätze geschaffen. Unsere Branche ist aber nicht sexy. Sie lesen nie davon, dass unsere Autos in Friedensmissionen zum Einsatz kommen. Nein, wir stehen medial bloss im Gegenwind. Hinzu kommt noch das Söldnergesetz, das uns Sorge bereitet.

Sie sprechen das Gesetz an, das Dienstleistungen für fremde Armeen regelt. Mit diesem kam der Flugzeugbauer Pilatus in Konflikt.
Genau. Ich will doch auch nicht, dass Söldnerfirmen von der Schweiz aus operieren. Das Gesetz ist jedoch so ausgelegt, dass wir mit riesiger Bürokratie zu kämpfen haben. Derzeit bauen unsere Leute in Belgien Autos um – für diese brauchen wir eine Extrabewilligung des Aussendepartements, obwohl das Staatssekretariat für Wirtschaft das Geschäft schon genehmigt hat.

Fordern Sie mehr Unterstützung durch den Staat?
Nein, ich will einfach nicht, dass man uns Steine in den Weg legt. Sehen Sie: Wir produzieren den Piranha in der Schweiz, dennoch sind wir weltweiter Preisführer. Keiner ist günstiger, weshalb wir auch noch nie einen Auftrag wegen des Preises verloren haben. Aus politischen Gründen aber schon – also weil sich ein Regierungschef eingemischt und sich für das Produkt aus seinem Land starkgemacht hat. Unsere Regierung macht das nicht. Ist halt so.

Verlangen Sie, dass der Bundesrat sich für die Mowag einsetzt?
Eigentlich nicht, nein. Als Staatsbürger finde ich es richtig, dass sich der Bundesrat neutral verhält. Ich würde mir aber wünschen, dass auch andere Regierungen das tun.

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