Moritz Leuenberger kritisiert die direkte Demokratie
«Ich mache mir grosse Sorgen»

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger über die Initiativen-Flut, Volkswut, Twitter und Humor.
Publiziert: 03.03.2015 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:45 Uhr

Es tönt desillusioniert, was Moritz Leuenberger (68) heute im «Tages-Anzeiger» sagt: «Während meiner Amtszeit habe ich die direkte Demokratie immer sehr gelobt. Heute merke ich: Ich habe sie idealisiert.» Er sei vom selbstverantwortlichen Citoyen ausgegangen, der den Staat gestalten wolle. «Das war eine Überhöhung.»

Die Zunahme von Initiativen und deren populistische Formulierung liessen den alt Bundesrat umdenken. «Unsere direkte Demokratie leidet an gravierenden Mängeln. Ich mache mir grosse Sorgen.» Es brauche endlich finanzielle Transparenz, wer für die Initiativen und Propaganda zahle.

Frustrationen würden zu Abstimmungs-Entscheiden führen, man wolle es «denen da oben» zeigen. «Das ist widersinnig in unserer Demokratie. Die da oben sind wir alle», sagt Leuenberger.

Aber der SP-Mann kritisiert nicht nur, er nimmt auch in Schutz. Namentlich seine Kollegin Doris Leuthard. Ihr Tweet mit dem Anfang «Satire darf nicht alles» nach dem «Charlie Hebdo»-Massaker sorgte für einen Aufschrei der Empörung. Leuenberger findet «gar nicht so dumm, was sie schrieb. Dabei war nur der Zeitpunkt falsch - und dass sie es auf Twitter gemacht hat.» Bei diesem Thema redet sich der frühere Verkehrsminister glatt in Rage: «Was soll ein Bundesrat auf Twitter? Twitter verhindert Differenziertheit. Was kann man schon in 24 Buchstaben sagen?» Dass es 140 sind, ändert Leuenbergers Meinung auch nicht. «Das ist auch wenig. Zu wenig!»

Zum Schluss des «Tagi»-Interviews tätigt Moritz Leuenberger noch eine für ihn wenig überraschende Aussage: «Das Humorfestival Arosa: Eine Woche lustig - das halte ich nicht aus!» (zeb)

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