Mobbing, Sexismus, SVP-Ämterschacher
Knatsch vor Wahl der Bundesstrafrichter

Im Bundesstrafgericht in Bellinzona ist Feuer unter dem Dach. Die Rede ist von Sexismus, Mobbing und Schikane. Zudem will die SVP mit einer umstrittenen Rochade ihre Übervertretung sichern.
Publiziert: 17.12.2019 um 14:55 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2019 um 15:41 Uhr
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Morgen wird eine neue Präsidentin für das Bundesstrafgericht gewählt.
Foto: Tonatiuh Ambrosetti

Aus Zürich und SVP-Mitglied. Das ist im Moment die beste Voraussetzung für einen gut bezahlten Job am Bundesstrafgericht in Bellinzona. Doch die Posten sind rar. Morgen wählt das Parlament einen neuen Präsidenten und einen neuen Vizepräsidenten. Bisher hat Richter Stephan Blättler (SVP, ZH) das Gericht präsidiert. Vizepräsidentin ist Sylvia Frei (SVP, ZH).

Morgen zur Wahl stehen: Sylvia Frei (SVP, ZH) als Präsidentin und Stephan Blättler (SVP, ZH) als Vizepräsident. Eine Ämtertausch, der an Putin erinnert. auch der hat schon mit seinem Ministerpräsidenten Medwedew das Amt getauscht. Ein Trick um an der macht zu bleiben.

Die Gerichtskommission, welche die Kandidaten dem Parlament empfehlen muss, ist selbst unzufrieden mit der Situation. «Das ist inakzeptabel, weil sie Minderheiten und politische Vielfältigkeit nicht berücksichtigt», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer (52) zur Westschweizer Zeitung «Le Temps».

«Nur vorübergehende Lösung»

Blättler und Frei wurden erst im April 2019 gewählt, weil zwei Tessiner das Gericht verlassen hatten. Schon damals wurden die beiden Zürcher nur mit Murren gewählt. «Die Gerichtskommission akzeptierte die Wahl nur als vorübergehende Lösung», heisst es im Bericht der Gerichtskommission.

Neun Monate später scheint aus der «vorübergehenden Lösung» nun doch eine permanente zu werden. Und dies, obwohl die Gerichtskommission vor der Wahl intervenierte und eine ausgewogene Vertretung forderte. Erfolglos. Das Gericht, das selbst den Präsidentenvorschlag einreichen darf, tauschte nur die Nummer drei der Gerichtsleitung – Andrea Blum von der Luzerner SVP – gegen einen FDP-Vertreter aus Freiburg aus.

Trotzdem scheint es morgen keine ernsthafte Opposition zu geben. «Es stört uns, aber wir können sie nicht zu ihrem Glück zwingen», sagt FDP-Nationalrat Christian Lüscher (56) zu «Le Temps». Matthias Aebischer von der SP prognostiziert ihnen aber ein schlechtes Ergebnis.

Sexismus und Mobbing

Im Bundesstrafgericht in Bellinzona scheint aber auch sonst ein Sittenzerfall stattgefunden haben, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. So sei ein hoher Richter mit üblen sexistischen Bemerkungen gegenüber drei Gerichtsschreiberinnen aufgefallen. Folgen hatte das keine – im Gegenteil, die Frauen wurden gemobbt und hätten schliesslich selbst gekündigt.

Die Deutschschweizer Richter würden zudem das lokale Tessiner Personal schikanieren und von oben herab behandeln. «Sie führen sich auf wie Kolonialherren», heisst es in der «Aargauer Zeitung». Auch mit der Arbeitszeit würden es die Richter nicht so genau nehmen und die Arbeit auf die Gerichtsschreiber abschieben.

Kürzlich wurden die beiden Tessiner Richter Giorgio Bomio (SP) und Claudia Solgà (CVP) aus ihren Präsidien entfernt. Wie es im Bericht heisst, sei dies die Quittung dafür, dass sie sich gewehrt haben. Gegen die Dominanz der Deutschschweizer SVP in den Leitungsgremien. (brb)

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