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Mitstreiter, Gegenspieler und Familie
Weko-Präsidentin Laura Baudenbacher kämpft gegen Kartelle

Die Präsidentin der Wettbewerbskommission steckt mitten im Kräftemessen um die Zukunft der Behörde.
Publiziert: 21.09.2024 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2024 um 08:17 Uhr
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Zu Baudenbachers Verbündeten gehört Preisüberwacher Stefan Meierhans.
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Erich Bürgler
Bilanz

Die Schweiz war lange Zeit ein Paradies für Kartelle. Laura Melusine Baudenbacher, die 38-jährige Präsidentin der Wettbewerbskommission (Weko), setzt sich gerade dafür ein, dass solche Zustände nicht zurückkehren. Bekanntestes Beispiel für das Unterdrücken von Konkurrenz ist das Bierkartell. Die bis in die 90er Jahre geltenden Absprachen der Schweizer Brauereien betrafen nicht nur Preise, sondern auch Biersorten, Werbung und Verkaufsstellen. Weizenbier, das Baudenbacher persönlich mag, war damals nicht zulässig. Die Lage ist laut der Weko durchaus ernst. Im Rahmen der Revision des Kartellrechts befürchtet sie eine Aufweichung des Kartellverbots. Die Weko soll höhere Hürden auferlegt bekommen. Sie müsste selbst bei den schädlichsten Abreden detailliert nachweisen, dass ein erheblicher Schaden entstanden ist. Dagegen kämpft Baudenbacher und zieht einen Vergleich: «Wer betrunken Auto fährt, wird gebüsst, unabhängig davon, ob jemand zu Schaden gekommen ist.» Der Ständerat hat sich jüngst gegen eine entsprechende Anpassung entschieden, doch die Gefahr ist nicht gebannt. Als Nächstes berät der Nationalrat über die Revision. «Wenn die Schwächung des Kartellgesetzes durchkommt, wird es grundsätzlich schwierig für die Weko als Behörde», sagt Baudenbacher.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Die Mitstreiter

Wirtschaftsminister Guy Parmelin hatte Baudenbacher als Weko-Präsidentin vorgeschlagen. Die Behörde setzt sich aus zwölf vom Bundesrat gewählten Kommissionsmitgliedern zusammen und hat ein rund 70-köpfiges Sekretariat im Rücken. Dessen Direktor ist der 61-jährige Rechtswissenschaftler Patrik Ducrey. Das Sekretariat ist für den Untersuchungsprozess verantwortlich, während die Kommission als Entscheidungsinstanz fungiert. Laut Kartellgesetz muss die Mehrheit der Sitze in der Kommission durch unabhängige Sachverständige besetzt sein. In der Regel handelt es sich dabei um Professorinnen und Professoren der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Für Entscheide der Kommission ist die Mehrheit der unabhängigen Stimmen ausschlaggebend. Zu Baudenbachers Verbündeten gehört Preisüberwacher Stefan Meierhans. So stellt Meierhans die UBS nach einer Analyse der Weko unter Beobachtung. Die Wettbewerbsbehörde kam zum Schluss, dass die Grossbank nach der Übernahme der Credit Suisse in verschiedenen Bereichen marktbeherrschend sei. Deshalb schaut auch die Weko genau hin.

Die Familie

Ihre Eltern waren stets etwas «abenteuerlich unterwegs», sagt Laura Baudenbacher. Sie entschieden sich bewusst, in verschiedenen Ländern zu leben. Die zahlreichen internationalen Wohnorte der Familie sorgten dafür, dass Baudenbacher neben ihrer Muttersprache Deutsch auch fliessend Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch und Luxemburgisch spricht. Ihr Vater ist der bekannte Jurist Carl Baudenbacher. Der ehemalige Präsident des EFTA-Gerichtshofes in Luxemburg hat über 40 Bücher zum schweizerischen und internationalen Wirtschaftsrecht veröffentlicht. Von 1987 bis 2013 hatte er den Lehrstuhl für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen inne. Carl Baudenbacher ist als scharfer Kritiker der Europapolitik der Schweizer Regierung bekannt. Er wirft dem Bundesrat in Bezug auf die Verhandlungen über den Abschluss eines Rahmenabkommens «grobes Versagen» vor und bezeichnete dessen EU-Politik jüngst als «Bullshit». Ihre Mutter Doris Baudenbacher ist Betriebs- und Volkswirtin. In ihrer Dissertation befasste sie sich mit dem Thema «Moral Hazard» und untersuchte die unbeabsichtigten Nebenwirkungen, die durch wirtschaftliche Fehlanreize entstehen können.

Die Karriere

Geboren ist Baudenbacher in Berlin, aufgewachsen in St. Gallen. Doch geprägt hat sie eine andere Stadt: Als sie zehn Jahre alt war, zog die Familie für zwei Jahre nach Austin, in die Metropole, die im republikanisch dominierten US-Bundesstaat Texas als Insel der Demokraten gilt. Die begeisterungsfähigen Amerikaner und die Einstellung, dass man alles im Leben erreichen könne, machten ihr Eindruck. Danach zog es die Baudenbachers nach Luxemburg. Für ihr Jus-Studium kam sie zurück in die Schweiz. Die Wahl fiel auf Bern, auch wegen der dortigen Universität, aber nicht nur: «Hauptgrund war das Schwimmen in der Aare», sagt sie offen. Später arbeitete sie als Gerichtsschreiberin beim Bundesverwaltungsgericht und promovierte 2015 an der Universität Zürich. Ihr Doktorvater war Andreas Heinemann, ihr Vorgänger als Präsident der Weko. Baudenbacher kennt sich im internationalen Kartellrecht aus. Zwischen 2016 und 2021 arbeitete sie als Rechtsanwältin in Brüssel für die britische Kanzlei Linklaters sowie in Brüssel und Köln für die US-Kanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, wobei sie sich auf europäisches, amerikanisches und deutsches Kartellrecht spezialisierte. Ein hartes Arbeitsumfeld, in dem eine Atmosphäre von «sink or swim» herrschte. Im vergangenen Jahr gründete sie zusammen mit ihrem Vater und den beiden norwegischen Juristen Bjørn Kvernberg und Mads Andenas eine Kanzlei.

Die Gegenspieler

Der Baulobby ist die Behörde schon öfter auf die Füsse getreten. So deckte diese auf, dass Bündner Baufirmen im grossen Stil Preisabsprachen getroffen hatten. Derzeit laufen Untersuchungen bezüglich möglicher Abreden im Tief- und Hochbau im Kanton Neuenburg. FDP-Ständerat Hans Wicki, ein Vertreter der Bauindustrie, kämpft an vorderster Front dafür, die Voraussetzungen für ein Eingreifen der Weko zu erschweren. Wicki hat eine Motion eingereicht, in der er schreibt, die Wettbewerbsbehörde verletze die Unschuldsvermutung «in krasser Weise». Support erhält er dabei vom Waadtländer Ex-FDP-Ständerat Olivier Français, der in einem Vorstoss festhält, dass verdächtige Personen «in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt werden». Erich Herzog, Geschäftsleitungsmitglied von Economiesuisse, kritisierte den jüngsten Entscheid des Ständerates, der im Sinne der Wettbewerbsbehörde ausfiel.

Die Vorkämpfer

Als Vater des Schweizer Kartellgesetzes von 1995 gilt Marino Baldi. Er war einst Schweizer Botschafter und Geschäftsleitungsmitglied des Seco und erarbeitete seinerzeit den Gesetzesentwurf. Damit schaffte die Schweiz, die bei der Bekämpfung von Kartellen anderen Ländern weit hinterherhinkte, ein griffiges Instrument gegen Preisabsprachen. Baldi, heute Berater bei der Wirtschaftskanzlei Prager Dreifuss, kritisierte jüngst die von bürgerlichen Kreisen forcierte Lockerung des Verbots von Kartellabsprachen als «Fressen für die Anwälte». Ähnlich sehen das fünf Vorgänger von Baudenbacher. In einem gemeinsamen Kommentar in der «NZZ» zeigten sich die früheren obersten Wettbewerbshüter Pierre Tercier, Roland von Büren, Walter Stoffel, Vincent Martenet und Andreas Heinemann besorgt «über eine drohende Schwächung der Wettbewerbspolitik auf Kosten vieler KMUs sowie Konsumentinnen und Konsumenten». Die entstehende Rechtsunsicherheit könnte den Marktabschottern Tür und Tor öffnen, so die ehemaligen Weko-Präsidenten. Die Erfolge der Behörde seien nicht vom Himmel gefallen, sondern in einer Reihe von Entscheiden erarbeitet und gerichtlich auf ihre Hieb- und Stichfestigkeit geprüft worden.

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