Mitholz wird zum Geisterdorf
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Evakuierung wegen Munition:Mitholz wird zum Geisterdorf

Mitholz wird zum Geisterdorf – schwerer Schlag für Bewohner
«Ich bin 75! Wohin soll ich in zehn Jahren gehen?»

Die Bewohner von Mitholz BE reagieren emotional auf die Hiobsbotschaft, dass ihr Dorf wegen dem ehemaligen Munitionslager geräumt werden muss. Bundesrätin Viola Amherd leidet mit. Die Heimat zu verlassen, sei «schwer zu verarbeiten».
Publiziert: 26.02.2020 um 09:40 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2020 um 19:38 Uhr
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Der besorgte Mitholzer Fritz Rösti fragt sich, wohin er in zehn Jahren zügeln soll.
Foto: Peter Gerber
Gabriel Vilares, Nico Menzato, Pascal Tischhauser

Die Räumung des ehemaligen Munitionslagers in Mitholz BE hat gravierende Folgen. Die 170 Dorfbewohner werden ihre Häuser wohl für rund zehn Jahre verlassen müssen. Den Bund dürfte das deutlich über eine Milliarde Franken kosten. Dies teilte Verteidigungsministerin Viola Amherd (57) am Dienstag den Mitholzern mit.

Diese reagierten teils emotional auf die Schreckensnachricht. «Ich bin 75! Wohin soll ich in zehn Jahren gehen?», fragt etwa der besorgte Rentner Fritz Rösti (75). «Es gibt viel zu verarbeiten. Das geht nicht von heute auf morgen», meint der Mitholzer Ruedi Rauber (34). Er versuche jetzt aber, positiv zu denken.

Wer hilft bei der Wohnungssuche?

«Es war klar, dass wir weggehen müssen. Aber dass es für so lange ist, erstaunt mich doch», ergänzt der Landwirt Patric Schmid (38). Hausfrau Barbara Rauber (36) fragt sich derweil, wohin sie nun gehen kann – und wer einem bei der Suche eines neuen Wohnorts behilflich sei.

GLP-Präsident Jürg Grossen (50), dessen Schwiegereltern ein Haus in Mitholz besitzen, sagt: «Ich erwarte vom Verteidigungsdepartement, dass es in Mitholz mit Fingerspitzengefühl und unbürokratisch vorgeht. Bislang habe ich auch den Eindruck, dass das geschieht. Es ist klar, dass jeder Haushalt finanziell unterstützt werden muss. Das jeweilige Bedürfnis muss individuell abgeklärt werden.»

Die Situation sei für die Betroffenen ausserordentlich schwierig, eine grosse Herausforderung für viele Familien.

Gebäude verlieren an Wert

Das sieht auch Gemeindepräsident Roman Lanz so: Vor allem älteren Leuten, die ihren Lebensabend in vertrauter Umgebung verbringen wollten, dürfte ein Wegzug sehr schwer fallen, sagte er der Nachrichtenagentur Keystone-sda.

Für viele ältere Mitholzer sei es daher ein Herzenswunsch, ihr oftmals seit Generationen bewohntes Haus dereinst ohne Wertverlust an eine nachfolgende Generation übergeben zu können.

Ob dies möglich sein wird, ist fraglich: Denn seit Bekanntwerden des grösseren Risikos, das vom alten Munitionslager im Fels ausgeht, haben die Liegenschaften klar an Wert verloren. Der Kanton Bern hat daher den Schätzwert bereits um einen Viertel reduziert.

Amherd: «Es darf nichts beschönigt werden.»

Dass es für viele Bewohner ein emotionaler Moment ist, kann Bundesrätin Amherd gut nachvollziehen, wie sie zu Blick TV sagt. «Es geht schliesslich um die Heimat von vielen Familien.» Diese zu verlassen, sei «schwer zu verarbeiten». Die Räumung eines Dorfes sei eine «einschneidende Massnahme».

«Für mich ist wichtig, dass die Bevölkerung offen und transparent informiert wird. Es darf nichts beschönigt werden», so die Verteidigungsministerin weiter. Sicher sei schöner, wenn man positive Nachrichten überbringen könne. Aber es gehöre zum Amt einer Bundesrätin, dass man auch mit solchen Situationen umgehen könne.

Der Grund für die Räumung des Dorfes ist das ehemalige Munitionslager, das 1947 bei einer Explosion verschüttet wurde. Mit der Räumung kann frühestens 2031 begonnen werden. Allein die Vorarbeiten werden zehn Jahre in Anspruch nehmen.

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