Mit Senioren auf Stimmenfang
Der jüngste Trend: Wählt Alte!

Parteien setzten auf Seniorenlisten. Diese können einen Sitz im Nationalrat retten oder zu einem zusätzlichen Mandat verhelfen.
Publiziert: 21.08.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:51 Uhr
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CVP 60+: Jacques Neyrinck (84, VD) .
Foto: Peter Gerber
Von Ruedi Studer

Im Herbst geht es um Richtungswahlen!», beten die Parteichefs vor. Kein Wunder, werfen die Parteien ihre Netze möglichst weit aus, um im grossen Wählerteich nach Stimmen zu fischen.

Dabei setzen sie auf Zusatzlisten als Stimmenfänger. Fast schon ein Muss sind junge Listen. Seit längerem beliebt sind auch Auslandschweizer-Listen. Jetzt zeichnet sich ein neuer Trend ab: Die Parteien schicken ihre Senioren auf Stimmenfang!

2007 gab es gerade einmal zwei explizite Seniorenlisten, 2011 nur drei. In diesem Herbst hingegen gibt es mindestens elf! Also ein deutliches Plus.

Die CVP tritt in mindestens drei Kantonen (SO, VS, VD) mit 60+-Listen an. Ebenso die Grünen (BL, GE, TG), die sich als Grüne Panther mit Gebrüll ins Wahlkampfgetümmel stürzen. In mindestens zwei Kantonen (SO, VS) setzt die SP auf angegraute Hilfstruppen. Je eine Seniorenliste führen EDU (ZH), FDP (BS) und SVP (SO).

Auf den Listen finden sich auch bekannte Köpfe, etwa ehemalige Nationalräte: Ruth Gonseth (72, Grüne) in Baselland, Ursula Ulrich-Vögtlin (68, SP) in Solothurn oder Markus Wäfler (66, EDU) in Zürich. Die CVP Waadt führt den mit 84 Jahren derzeit ältesten Nationalrat, Jacques Neyrinck, auf der Se­niorenliste – was für ihn die sichere Abwahl bedeutet.

Um die eigenen Wahlchancen gehts der alten Garde ja auch nicht. Sie will ihrer Partei jeweils helfen, Sitze zu verteidigen oder neue zu erobern! In Baselland wollen die Grünen Panther den Sitz von Maya Graf retten. Und im Wallis hofft die SP auf ein zusätzliches Mandat.

Paradebeispiel ist aber Solothurn mit Seniorenlisten von SP, SVP und CVP. Die drei Parteien halten je zwei Nationalratssitze. Da der Kanton neu ein Mandat weniger zugute hat, wird eine der drei Parteien einen Sitz verlieren. Jede hofft, dass es sie dank der Alten nicht trifft!

Dass diese den Ausschlag geben können, bestätigt CVP-Nationalrat Stefan Müller (SO). «2011 hat uns die Seniorenliste den zweiten Sitz gesichert», sagt er. «Auch diesmal zählt jede Stimme. Und bei den Senioren liegt ein immenses Wählerpotenzial, welches alle Parteien abholen wollen.»

Damit nehmen die Seniorenlisten die gesellschaftliche Entwicklung auf: Lag im Jahr 1970 der Anteil der Senioren im Alter ab 65 noch bei 11,5 Prozent, betrug er letztes Jahr 17,8 Prozent. Tendenz weiter steigend!

Gut möglich also, dass bald mal auch Seniorenlisten zum Muss werden. 

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