In Österreich droht Bundeskanzler Sebastian Kurz (32) das Aus! Auslöser dafür ist das Skandalvideo, in dem FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache (49) einer angeblichen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge gegen Wahlkampf-Hilfe angeboten hat.
Seither geht es in Österreich drunter und drüber: Strache musste zurücktreten und ein weiterer FPÖ-Minister wurde von Kurz rausgeschmissen, worauf fast alle FPÖ-Regierungsmitglieder den Hut nahmen. Die Staatskrise könnte nun auch Kurz selbst das Amt kosten, da die oppositionelle Liste «Jetzt» im Parlament einen Misstrauensantrag gegen den Ösi-Bundeskanzler stellt.
Könnte ein Bundesrat gestürzt werden?
Ausgerechnet im beschaulichen Österreich bleibt kein Stein auf dem andern. Ein Szenario, das auch in der Schweiz passieren könnte? Könnte ein Bundesrat kurzfristig gestürzt werden?
Rein formell gesehen: Nein! Ein Bundesrat ist jeweils für eine Legislatur gewählt – in der Regel also für vier Jahre. In dieser Zeit ist er praktisch unantastbar. Schiesst er einen politisch kapitalen Bock oder verwickelt sich in einen Skandal, kann er nicht so einfach aus dem Amt gehebelt werden. Oder dann erst am Ende der Legislatur mit der Nichtwiederwahl.
Ansonsten hilft nur politischer Druck, um jemanden zum vorzeitigen Rücktritt zu drängen. Das war etwa 1989 der Fall, als FDP-Bundesrätin Elisabeth Kopp (82) nach einem umstrittenen Telefonat mit ihrem Mann in der Kopp-Affäre dem Druck ihrer Partei nachgab.
Parlament gegen Amtsenthebungsverfahren
Letztmals hatte Grünen-Nationalrätin Maya Graf (57, BL) 2010 einen Anlauf genommen, ein Amtsenthebungsverfahren für Bundesräte einzuführen und gesetzlich klar zu regeln. Die aus National- und Ständerat bestehende Bundesversammlung sollte einen Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit seines Amtes entheben können, so ihr Vorschlag.
Folgende Gründe sollten dafür in Betracht kommen: Wenn die Rechtschaffenheit des Betroffenen in Zweifel stünde, dessen Handlungen der Glaubwürdigkeit der Schweiz in der Welt erheblichen Schaden zufügen würden, dieser «offensichtlich und fortgesetzt» das Kollegialitätsprinzip verletze oder wenn das Parlament das Vertrauen in das betreffende Regierungsmitglied «aufgrund von dessen unzureichender politischer Arbeit dauerhaft verliert».
Parlament sagt Nein
Das Parlament wollte von dieser Lösung aber nichts wissen. Die zuständige Staatspolitische Kommission warnte zuvor: «Die Stabilität der Regierung würde aufs Spiel gesetzt, wenn einzelne Mitglieder des Bundesrates von der Bundesversammlung abberufen werden könnten.» Aus «parteipolitischen Profilierungsgründen» würden immer wieder Anträge auf die Einleitung solcher Verfahren gestellt, so die Befürchtung.
«Auch wenn solche Anträge wohl nur selten eine Mehrheit finden würden, würde die Regierungstätigkeit doch massiv gestört.» Das Instrument der Nichtwiederwahl reiche aus, beschied die Kommission.
Mit Erfolg: Der Nationalrat lehnte den Vorstoss mit 125 zu 24 Stimmen deutlich ab.
Nur Amtsunfähigkeit ist feststellbar
Allerdings: Seit 2009 gibt es formell eine Möglichkeit, einen Bundesrat vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. Aber nur, wenn seine Amtsunfähigkeit festgestellt wird.
Dafür gibt es aber einige Hürden. So muss eine Reihe von konkreten Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens, der Betroffene muss wegen schwerwiegender gesundheitlicher Probleme daran gehindert sein, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, und auch offenkundig nicht mehr in der Lage sein, sein Amt auszuüben. Zweitens muss davon ausgegangen werden können, dass dieser Zustand voraussichtlich lange Zeit andauern wird. Und als dritte Bedingung gilt, dass Betroffene innert einer angemessenen Frist keine rechtsgültige Rücktrittserklärung abgegeben haben.
Nur dann kann das Büro der Bundesversammlung oder der Bundesrat einen entsprechenden Antrag auf die Feststellung der Amtsunfähigkeit stellen. Darüber entscheiden muss dann die Bundesversammlung. Ein solcher Antrag ist bisher noch nie gestellt worden.
Die Regelung hat einen tragischen Hintergrund: Im Mai 1962 erlitt CVP-Bundesrat Jean Bourgknecht (†62) einen Schlaganfall und konnte in der Folge weder sprechen noch schreiben. Das Problem wurde ad hoc gelöst, indem drei seiner Familienangehörigen am 3. September 1962 in seinem Namen den Rücktritt per Ende September 1962 erklärten. Als sein Nachfolger wurde der Walliser Roger Bonvin (†74) gewählt.
Einige Kantone kennen Regierungs-Rauswurf
Während sich auf Bundesebene der Rauswurf eines Regierungsmitglieds auf einen gesundheitlichen Notstand beschränkt, gibt es in einigen Kantonen verschiedene Absetzungsverfahren.
So gibt es in den Kantonen Bern, Schaffhausen, Solothurn Tessin, Thurgau und Uri etwa ein Volksrecht auf Abwahl der Regierung. Der Weg führt dabei jeweils über eine kantonale Volksinitiative. Allerdings steht dann die ganze Regierung zur Disposition. Dass das Instrument auch angewendet wird, ist selten der Fall. Letztmals in Schaffhausen im Jahr 2000. Allerdings sprachen sich damals nur 35 Prozent für die Absetzung der Regierung aus. In Solothurn 1996 und im Tessin 2008 scheiterten entsprechende Versuche bereits an der Unterschriftensammlung.
In anderen Kantonen wie etwa Waadt, Neuenburg oder Graubünden kann das Parlament eingreifen. In Graubünden zum Beispiel kann der Grosse Rat mit Dreiviertel-Mehrheit ein Regierungsmitglied vorzeitig des Amtes entheben – etwa, wenn es seine Amtspflichten schwer verletzt hat oder wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
Initiativen im Aargau und in Genf
In jüngster Zeit hat die Abberufungs-Idee wieder an Fahrt gewonnen. Im Kanton Aargau sammelt derzeit die BDP Unterschriften für eine kantonale Amtsenthebungs-Initiative. Auslöser dafür ist der Fall um die umstrittene parteilose (frühere SVP-)Regierungsrätin Franziska Roth (55).
Und auch in Genf werden derzeit Unterschriften für zwei Abberufungs-Initiativen gesammelt. Auslöser hier ist die Affäre rund um FDP-Staatsrat Pierre Maudet (41).