Rund 800'000 der volljährigen Schweizer haben einen Migrationshintergrund. Diese eingebürgerten Ausländer können an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen – tun dies aber weniger häufig als Schweizer ohne Migrationshintergrund.
Jetzt reagieren die Parteien und versuchen für die eidgenössischen Wahlen im Herbst dieses brachliegende Potenzial besser zu nutzen. Sie spannen Secondos und Secondas als Wahlkampf-Lokomotiven ein.
Den grössten Effort leisten die Linken. SP-Co-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen sagt, «rund 30 Prozent» aller Nationalratskandidaten seien Secondos. Einer von ihnen ist der gebürtige Kosovare Arber Bullakaj.
«Wir fördern Kandidaten mit ausländischen Wurzeln gezielt, genauso wie die Frauen oder die Jungen», so Wasserfallen. Die «Vielfalt unserer Gesellschaft» müsse auch im Parlament abgebildet sein.
Um die Doppelbürger im Wahlkampf gezielt zu erreichen, produziert die SP Flyer in Portugiesisch, Spanisch, Albanisch und sogar Tamilisch. Zudem versuche man Secondos zum Wählen zu motivieren, indem sie in ihrer Heimatsprache angerufen werden.
Auch die Grünen hoffen auf den Support der Migranten. Die Zürcher Sektion tritt mit einer separaten Secondo-Wahlliste an.
Multikulti auf Wahllisten
In Basel belegt die türkische Kurdin Sibel Arslan den ersten Listenplatz. Im Aargau kandidiert der pakistanisch-schweizerische Doppelbürger Yahya Bajwa und in Bern der türkischstämmige Hasim Sancar.
Auch die CVP setzt auf Multikulti – und auf eine Augenweide. Sie versucht mit Keshtjella Pepshi einen Sitz zu erobern. Die 28-jährige Bernerin hat kosovarisch-albanische Wurzeln und war Miss Universe Kosovo. Wahlkampfleiterin Béatrice Wertli bezeichnet Pepshi als «toll, interessant und intelligent».
Solche Kandidaturen seien das beste Beispiel für gelungene Integration. Auch in Solothurn steht ein bekannter Name auf der Kandidatenliste: Shpetim Dzemaili, ein Verwandter des Fussball-Nationalspielers Blerim.
Die FDP ziele nicht explizit auf Secondos ab, sagt deren Kommunikationschef Georg Därendinger. «Wir sprechen alle liberal denkenden Personen gleichermassen an.»
Dennoch gibt es eine Handvoll Kandidaten mit Migrationshintergrund: Etwa Yusuf Barman in St. Gallen oder Artemis Avanesiani im Wallis.
Secondos auch für SVP wichtig
Und bei der SVP? «Was für Pässe die Kandidaten haben, ist völlig irrelevant», sagt die stellvertretende Generalsekretärin Silvia Bär.
Die Auswahl sei Sache der Kantonalparteien. Doch auch sie weiss um das Potenzial von Migranten: «Je mehr Ausländer es in der Schweiz hat, desto wichtiger werden auch Secondos im Politbetrieb.»
Bereits heute sitzen Migranten und Migrantenkinder aller grossen Parteien im Parlament. So etwa Yvette Estermann (SVP), die 1993 aus der Slowakei auswanderte.
Oder Fathi Derder (FDP), Sohn eines Algeriers. Rebecca Ruiz (SP) ist Tochter spanischer Einwanderer. Jacques Neirynck (CVP) besitzt den belgischen und französischen Pass.