Mirjam Markwalder hilft syrischen Flüchtlingen im Libanon
Eine Aargauerin gibt den Kleinsten Hoffnung

1,5 Millionen Flüchtlinge hat der Libanon seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs vor fünf Jahren aufgenommen. Das Überleben wird für diese immer schwieriger.
Publiziert: 26.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:59 Uhr
Cyrill Pinto

Eine staubige Landstrasse schlängelt sich den El-Kabir-Fluss entlang. Er trennt den Libanon vom Bürgerkriegsland Syrien. Die Fahrt geht an der libanesischen Seite entlang. Durch kleine Dörfer, vorbei an einem Grenzposten und über Felder. Dann taucht am Strassenrand das Flüchtlingscamp Semakiyeh auf. Zelte aus zusammengeflickten Plastikplanen stehen auf Holzgerüsten. In Lagern wie diesem leben Hunderttausende Menschen, die in den letzten Jahren aus Syrien in den Libanon geflüchtet sind.

Einer von ihnen ist Jaw­har (35). Er stammt aus der syrischen Stadt Idlib und lebt schon seit vier Jahren hier. Er ist der Schawisch, der Chef des Camps mit rund 600 Bewohnern. Etwa die Hälfte von ihnen, so erzählt er, sind schon seit Ausbruch des Krieges hier. Sie wurden von der Uno-Flüchtlingshilfe registriert und erhalten eine kleine Unterstützung.

Kinder arbeiten mit

Die anderen sind erst in den letzten Monaten ins Camp gekommen und fallen da­rum durch die Maschen der internationalen Hilfe. Sie sind illegal im Libanon. «Sie erhalten überhaupt nichts», sagt Jawhar.

Die Kinder vom Lager Semakiyeh im Nordlibanon: Siebenjährige helfen bei der Kartoffelernte, dürfen einen Teil der Ernte behalten und versuchen, sie am Strassenrand zu Geld zu machen.
Foto: Mirko Ries

Dafür, dass sie auf dem Acker ihre Zelte aufschlagen dürfen, bezahlen die Flüchtlinge dem Besitzer einen Mietzins. Umgerechnet rund 1000 Franken müssen alle Camp-Bewohner pro Monat abgeben, sagt Jawhar. Das Geld können sich die Flüchtlinge bei Bauern in der Umgebung verdienen, die sie zur Arbeit auf dem Feld einsetzen. Legal dürfen die Flüchtlinge im Libanon nicht arbeiten.

Rund eine halbe Stunde Fussmarsch vom Camp entfernt arbeiten rund 30 Flüchtlinge bei brütender Hitze auf einem Acker. Ein roter Traktor zieht einen Pflug hinter sich her, der Kartoffeln an die Oberfläche befördert.

Unter den Erntearbeitern sind auch Kinder. Sie folgen mit umgebundenen Jutesäcken dem Gespann und sammeln die faustgrossen Knollen ein. «Jalla!», «Vorwärts!», schreit ein Mann in grünem T-Shirt am Feldrand. Er stellt sich als Besitzer des Kartoffelackers vor. In seiner Hand hält er einen dicken Holzstock. «Ich bezahle den Kindern einen Dollar, den Frauen drei Dollar pro Stunde», sagt er. Ob er wisse, wie alt die jüngsten Kinder sind? «Ja! Sie ist sieben Jahre alt», sagt der Besitzer und zeigt auf ein kleines Mädchen, das gerade einen grossen Sack mit Kartoffeln ausleert.

Auf dem Acker muss alles schnell gehen. Der Kleinlaster für den Abtransport der Ernte steht schon bereit. In seinem Schatten wartet der Fahrer, bis er die Ernte auf den nächsten Markt fahren kann.

Ungeziefer überall

Zurück im Flüchtlingscamp. Lager-Chef Jawhar bestätigt: «Ja, auch die Kinder aus unserem Lager arbeiten auf den Feldern.» Statt Geld bekämen sie oft etwas von der Ernte ab, was sie versuchen, zu Geld zu machen. Stundenlang stehen sie dann mit dem Gemüse am Strassenrand und warten auf Käufer.

Viele der Kinder in dem Lager haben rote Flecken im Gesicht. Jinane Saad (27) von der Hilfsorganisation Médecins Sans Fron­tières (MSF) ist selber zwar keine Ärztin, aber sie weiss: «Die Kinder leiden an Leishmaniose, einer von Sandmücken übertragenen Hautkrankheit.» Wird sie nicht behandelt, können hässliche Narben im Gesicht zurückbleiben.

Die Leute von MSF kommen regelmässig in den Flüchtlingslagern im Nordlibanon vorbei. Wenn sie aus ihrem Jeep steigen, bringen Mütter ihre kranken Kinder zu ihnen. Von den Helfern bekommen sie dann einen Termin im nahen Behandlungszentrum von Abdeh. Die kleinen Flüchtlinge sind dort oft zu Gast. Viele leiden an Hautkrankheiten. Kein Wunder: Nur Holzpaletten und ein darübergelegter Teppich trennen den Zeltboden von der Erde. Insekten und andere Ungeziefer dringen ständig in die Zelte ein – auch Schlangen gibt es im Camp.

Mirjam Markwalder aus Würenlos AG bei ihrem Einsatz im Libanon: «Zu uns kommen die Ärmsten.»
Foto: Mirko Ries

Für die kranken Kinder und ihre Eltern wirkt Mirjam Markwalder (39) aus Würenlos AG wie ein Geschenk des Himmels. Sie gibt ihnen Hoffnung, zu überleben. Die ausgebildete Pflegefachfrau ist die medizinische Leiterin der MSF-Mission im Nordlibanon. Ein 60-köpfiges Team kümmert sich hier um die Ärmsten der Armen. Über 90 Prozent der Patienten sind Flüchtlinge aus Syrien. Sie erhalten kostenlose medizinische Hilfe und Medikamente.

Markwalder absolviert bereits ihren sechsten Einsatz für die Hilfsorganisation. Wenn sie im September wieder abreist, bleiben die Flüchtlinge in den Zeltcamps zurück. Die internationale Hilfe, so erzählen sie, wurde mit den Jahren immer weniger. Und die Hoffnung, wieder in die Heimat zurückzukehren, haben sie inzwischen auch verloren. «Zurück nach Syrien?», fragt Jawhar bitter. «Meine Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht – ich denke nicht, dass wir je wieder dorthin zurückkönnen.»

«Wir versorgen die Flüchtlinge mit Medizin»

Mirjam Markwalder (39) aus Würenlos AG arbeitet seit Herbst 2015 für Médecins Sans Frontières (MSF) im Libanon. Schon sechs Mal war die Pflegefachfrau für die Hilfsorganisation im Einsatz in Krisengebieten. Vom lokalen Hauptquartier in der nordlibanesischen Stadt Tripoli aus koordiniert sie als Medical Technical Leader (MTL) ihr Team. Vier Kliniken betreibt MSF in Tripoli und Umgebung. Dort gibt es kostenlose medizinische Hilfe und Medikamente aber auch psychologische Betreuung oder Hilfe von Sozialarbeitern. «Für mich war schon immer klar, dass ich im Ausland Hilfe leisten will», sagt Markwalder. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte sie 2008 ihren ersten Einsatz für MSF. Noch bis September ist sie im Libanon.

Mirjam Markwalder (39) aus Würenlos AG arbeitet seit Herbst 2015 für Médecins Sans Frontières (MSF) im Libanon. Schon sechs Mal war die Pflegefachfrau für die Hilfsorganisation im Einsatz in Krisengebieten. Vom lokalen Hauptquartier in der nordlibanesischen Stadt Tripoli aus koordiniert sie als Medical Technical Leader (MTL) ihr Team. Vier Kliniken betreibt MSF in Tripoli und Umgebung. Dort gibt es kostenlose medizinische Hilfe und Medikamente aber auch psychologische Betreuung oder Hilfe von Sozialarbeitern. «Für mich war schon immer klar, dass ich im Ausland Hilfe leisten will», sagt Markwalder. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte sie 2008 ihren ersten Einsatz für MSF. Noch bis September ist sie im Libanon.

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