Milieu-Grösse packt über den Karrierestart von Valentin Landmann aus
«Da steht ein Anwalt mit einer deutschen Nutte»

Über Valentin Landmanns Einstieg in die Rotlichtwelt ist bisher wenig bekannt. Jetzt schildert der ehemalige Drogendealer «Reini» Lutz, wie der Advokat einst bei den Ganoven anheuerte, zu deren «Feuerwehr» wurde – und vergeblich ein Hells Angel werden wollte.
Publiziert: 24.12.2022 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.12.2022 um 19:01 Uhr
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Von Valentin Landmann initiiert: Am 23. Februar 1998 öffnete das Petite Fleur, das erste legale Bordell der Schweiz.
Foto: KEYSTONE
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Andere werden Versicherungsmakler, eröffnen eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis oder interpretieren ihr Leben lang Leonard-Cohen-Texte; eine freie Gesellschaft ermöglicht freie Berufswahl.

Valentin Landmann wurde Milieu-Anwalt.

Er scheint dieses Etikett exklusiv für sich gepachtet, ja geradezu erfunden zu haben, wenn man die Medienberichte über ihn verfolgt.

In diesen Tagen ist der 72-Jährige wieder in aller Munde, seit er in Zürich eine Affäre um stümperhaft entsorgte und in dubiose Hände geratene vertrauliche Daten der kantonalen Justizbehörden ins Rollen gebracht hat.

Über die Herkunft des Strafverteidigers, der seit drei Jahren für die SVP im kantonalen Parlament sitzt, ist viel geschrieben worden: Aus bürgerlichem Haus in St. Gallen stammend, wo er einst für die FDP politisierte, schlug er zunächst eine akademische Laufbahn ein, ehe ihn beim Studienaufenthalt in Hamburg (D) die Halbwelt von St. Pauli stärker zu reizen begann als die begonnene Habilitationsschrift.

Wie aber der Mann mit der Uhrenkrawatte, dem SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr (59) neuerdings den Handschlag verweigert, im Zürcher Rotlicht überhaupt Fuss fassen konnte, blieb immer mysteriös.

«Ich habe Landmann gross gemacht»

Jetzt wird jene Ära etwas beleuchtet, und zwar von einer anderen prominenten Figur von damals: Reinhard «Reini» Lutz (67), schweizweit bekannt als «Schneekönig», gehörte einst zur ersten Liga im Drogengeschäft, kontrollierte weite Teile des hiesigen Kokainhandels – und war Landmanns Mandant. Lutz sagt: «Ich habe Landmann gross gemacht.»

Derzeit verbüsst Lutz in Cazis GR noch seine Haftstrafe. In seiner Zelle hat er das Manuskript für ein neues Buch verfasst, das sich mit der helvetischen Suchtmittelgeschichte befasst: «Drogenfeuer Schweiz».

Auch Valentin Landmann wird darin gewürdigt. Die Passagen liegen SonntagsBlick vor. Akribisch schildert der Autor, wie Landmanns schillernde Laufbahn begann.

Ort des Geschehens war die Ecke Militär-/Langstrasse. Dort besassen Lutz und seine Partner das berüchtigte Lokal Piccolo Giardino, wo der Stoff im Akkord den Besitzer wechselte.

Das Geschäft wurde in Symbiose mit einem berühmten Rockerklub abgewickelt: «Meine Partner waren auch die Hells Angels. Ich mit meinem Haschisch und Kokain und sie mit dem Strassenstrich.» Die Biker hätten die Prostitution beherrscht; hundert Franken habe ihnen ein Zuhälter pro Frau und Tag abtreten müssen: «Somit kontrollierten wir den ganzen Kreis vier, sprich die Langstrasse, wie auch Zürich.»

Er wollte ins Milieu

An einem lauen Abend irgendwann zu Beginn der 80er-Jahre betrat der knapp 30-jährige Landmann die Bühne. Zurück aus Hamburg, mit abgebrochener Hochschulkarriere und fest entschlossen, zu einem Teil des Milieus zu werden.

Der Zürcher Kokainbaron und seine Komplizen, darunter Black, der damalige Hells-Angels-Präsident, sassen im Garten ihrer Kneipe. Plötzlich eilte ein Nachwuchsrocker herbei: «An der Militärstrasse steht ein Anwalt mit einer deutschen Nutte.» Worauf Black ihm befahl: «Bring ihn her!

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So jedenfalls erzählt es Lutz. «Valentin stellte sich uns vor und fragte uns, ob er für uns als Anwalt arbeiten könne. Wir sagten ihm, dass wir ihn zuerst überprüfen müssen.» Als die Bosse nach zwei Wochen grünes Licht gaben, «freute sich Valentin sehr».

Zu den Ritualen im Zirkel gehörten kleine Herabsetzungen, die auch Landmann trotz Totenkopf und Ledermantel zu spüren bekam. «Jeden Mittwoch hatten die Hells Angels Sitzungen im Klubhaus, und Valentin musste draussen warten. Erst danach wurde er aufgeboten.»

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«Ich habe noch nie in meinem Leben einen so schlechten Motorradfahrer gesehen.»
Reini Lutz über Valentin Landmann
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Fasziniert von seinen neuen Freunden, übernahm Landmann deren Lifestyle – laut Lutz allerdings mehr schlecht als recht: «Er machte sogar den Motorradführerschein und kaufte sich eine Harley. Wie er durch die Prüfung kam, war uns allen ein Rätsel. Ich habe noch nie in meinem Leben einen so schlechten Motorradfahrer gesehen.»

Eine vollwertige Weihe wurde Landmann nie vergönnt. «Er wollte Klubmitglied werden, dies wurde aber abgelehnt.» Dafür durfte er später den Supporter Club präsidieren.

Auf Anfrage weist Landmann zunächst darauf hin, dass besagte Geschichten viele Jahrzehnte zurückliegen. Zur Nichtaufnahme sagt er: «Eine Mitgliedschaft bei den Hells Angels war tatsächlich mal ein Thema, aber Black, der damalige Präsident, hatte befunden, dass es für den Klub nützlicher sei, wenn ich meine Unabhängigkeit behielte. Er überliess die Wahl dann mir, worauf ich freiwillig verzichtete.»

«Eine Win-win-Situation»

Für Lutz und seine Kumpel war Landmann von grossem Nutzen: «Es war eine Win-win-Situation. Wenn jemand verhaftet wurde, schickten wir sofort Dr. Landmann zu ihm. Er war unsere Feuerwehr. (...) Somit wurde er schon bald als grosser Milieu-Anwalt bekannt. Er machte sich einen grossen Namen, kam immer wieder im Fernsehen, und dies gefiel ihm sehr gut.» Was bedeutet Feuerwehr – fungierte der Advokat als Briefträger für Lutz’ Dealernetzwerk zwischen denen drinnen und denen draussen?

Landmann winkt ab: «Briefträger war ich in keiner Weise. Es ist aber richtig, dass man mir manchmal Leute geschickt hat. Wenn es zu einer Kollision kam, sagte ich Nein.»

Der Motorradklub hat stets bestritten, eine kriminelle Organisation zu sein. Den Vorwurf der organisierten Kriminalität konnten die Strafverfolger nie nachweisen. Für Lutz und seine Ganoven war Landmann Drehscheibe für Informationen und Kontakte. «Er vermittelte mir auch Klienten, wenn sie verhaftet und danach wieder entlassen wurden. So kam er zu mir und stellte mir den Klienten vor, und ich machte Geschäfte mit diesen Leuten, und er erhielt seine Provision.»

Dass der Anwalt selber nie etwas mit Drogen zu tun gehabt habe, betont auch Lutz; stattdessen sei Landmann viel mehr «auch von meinen vielen legalen Geschäften» begeistert gewesen, wie Lutz behauptet, «dort half er mir, wo er nur konnte».

Später ging der Strafverteidiger, dem Weggefährten eine hohe Intelligenz attestieren, seinen eigenen Weg. Für Landmanns jüngstes Manöver – das Engagement des langjährigen leitenden Staatsanwalts Markus Oertle – hat der Inhaftierte nur Kritik übrig. Er sieht den spektakulären Seitenwechsel als Beleg für Landmanns Wendigkeit; dieser wiederum ist stolz auf seinen Zuwachs im Büro.

Mit einem Schuss Bitterkeit schreibt Lutz: «Am Anfang brauchte Valentin mich, bis er gross wurde.»

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