Mehr Geld und Betreuung bei der Jobsuche
Schnappen Flüchtlinge jetzt Schweizern den Job weg?

Der Bund will noch mehr Anstrengungen unternehmen, um Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen. Das birgt Gefahren für Schweizer Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Der Bund beteuert, es werde niemand benachteiligt.
Publiziert: 19.09.2018 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2018 um 18:02 Uhr
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Eduard Gnesa ist ehemaliger Sonderbotschafter. In einem Bericht schlägt er Massnahmen vor, wie Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten.
Foto: Keystone
Sermîn Faki, Martina Tomaschett

Eine Million Franken. Das kostet jeder Flüchtling und vorläufig Aufgenommene allein durch die Sozialhilfe, wenn er keinen Job findet. Das ist zu viel, da sind sich alle einig. Die Kosten entstehen, weil selbst nach sieben Jahren in der Schweiz nur 50 Prozent der etwas mehr als 100'000 Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen arbeiten.

Die Politik versucht seit langem, diese Quote zu erhöhen. Mit einfacheren Anmeldeverfahren, kantonalen Integrationsprogrammen, Vorlehren und anderen Massnahmen. Doch auch das konnte die Erwerbsquote nur leicht erhöhen.

Mehr Infos, mehr Geld und mehr Betreuung

Um mehr Flüchtlinge «gewinnbringend für alle» in den Arbeitsmarkt zu bringen, hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) Eduard Gnesa (66) beauftragt, mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden auszuloten, was noch mehr getan werden könne.

Gnesa ist so etwas wie Monsieur Migration der Schweiz: Der Walliser war Direktor des Bundesamts für Ausländer, später Chef des Bundesamts für Migration, also des heutigen SEM. Später verhandelte er als Sonderbotschafter sogenannte Migrationspartnerschaften mit verschiedenen Staaten.

Gnesa schlägt Folgendes vor:

  • Bessere Information: Der Bund soll eine Plattform schaffen, auf welcher Arbeitgeber alle Informationen zu eidgenössischen und kantonalen Anstellungsbedingungen für Flüchtlinge und Ansprechpartnern finden. Auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene soll es regelmässig Informationsanlässe geben.
  • Job-Coaching: Die Kantone sollen möglichst früh abklären, welche Fähigkeiten und Kenntnisse die Flüchtlinge haben. Arbeitsmarktfähige Flüchtlinge sollen zudem einen Job-Coach erhalten, der bei der Stellensuche hilft und auch den Arbeitgebern als Kontaktperson dient. Das wird ab 2019 mit der Integrationsagenda passieren.
  • Finanzielle Anreize: Weil Flüchtlinge durch lange Einarbeitungszeiten anfangs oft mehr kosten, sollen Bund und Kantone prüfen, Zuschüsse zu zahlen oder Teillohnmodelle zu entwickeln.

Werden Schweizer benachteiligt?

Das SEM will Gnesas Empfehlungen prüfen, wie Chef Mario Gattiker (61) sagte. Klar ist schon heute: Kurzfristig dürften für Flüchtlinge vor allem Stellen in Frage kommen, für die sie wenig Qualifikation brauchen. Denn etwa 50 Prozent von ihnen haben keine Berufsausbildung, sondern lediglich die Volksschule absolviert.

Genau das aber könnte zu schweren Konflikten führen: Wenn Flüchtlinge einen Job-Coach bekommen und der Staat sogar einen Teil des Lohns übernimmt, haben sie Vorteile gegenüber einheimischen Stellensuchenden. Flüchtlinge könnten aus Arbeitgebersicht plötzlich attraktiver sein als Schweizer, so die Befürchtung.

«Verdrängungseffekte nicht auszuschliessen»

In Gnesas Bericht heisst es denn auch: «Ganz auszuschliessen sind Verdrängungseffekte auf dem Arbeitsmarkt für wenig Qualifizierte nicht.» Treffen dürfte es Arbeitslose, Ausgesteuerte, Sozialhilfeempfänger und IV-Bezüger. Gerade Langzeitarbeitslose und Sozialhilfebezüger haben oft selbst kaum eine Berufsausbildung. Bei den 26- bis 35-Jährigen trifft dies wie bei den Flüchtlingen auf etwa 50 Prozent zu.

Zahlen, welche Branchen sich besonders eignen könnten, gibt es nicht. Aber die vom Seco bestimmten Berufe, in denen der Inländervorrang gilt, liefern zumindest Hinweise: Demnach könnte es für Gehilfen in der Landwirtschaft, Magaziner, Kuriere, Service- und Küchenpersonal sowie für den Etagenservice in der Hotellerie eng werden.

Keine Integration für vorläufig Aufgenommene

«Wir sagen das seit Jahren», ärgert sich SVP-Migrationsspezialist Andreas Glarner (55). Er fragt sich, wo all die niederschwelligen Arbeitsplätze herkommen sollen. Bei anerkannten Flüchtlingen mache eine Integration noch Sinn. «Aber bei mehr als 40'000 vorläufig Aufgenommenen auf keinen Fall. Sie sind schnellstmöglichst in ihre Heimatländer zurückzuschaffen.»

Anderer Meinung ist Felix Wolffers (61), Co-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos): «Im Asylbereich haben wir es mehrheitlich mit sehr jungen Leuten zu tun. Wir müssen dafür sorgen, dass diese eine Berufslehre absolvieren. Damit würde es nicht zu einem Verdrängungseffekt bei den Niedrig-Qualifizierten kommen, sondern dringend benötigte Fachkräfte bringen. Das wäre eine Win-win-Situation.»

Gattiker: Kein Lohndumping

Das SEM ist sich der heiklen Ausgangslage bewusst. Man werde dies mit den Sozialpartnern diskutieren müssen. «Es ist klar: Wir wollen nicht eine Integration und gleichzeitig Lohndumping mit Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen. Es geht höchstens darum zu schauen, wo allenfalls Spielräume sind, um den Arbeitgebern entgegenzukommen.»

Ausschaffung von kriminellen Ausländern

Definitiv nicht geglückt ist die Integration derjenigen Ausländer, die gestern den Ständerat beschäftigten: Er lehnte einen Vorstoss von Peter Föhn (SVP, 65) ab, bei dem es um die Ausschaffung krimineller Ausländer geht.

Föhn forderte den Bund auf, dazu transparentere Statistiken bereitzustellen. Diese sollten nicht nur zeigen, wie viele Kriminelle tatsächlich ausgeschafft werden und bei wie vielen die Härtefallklausel zum Zug kommt – sondern auch, was die Gründe für die Anwendung dieser Klausel sind. «Ich will nicht, dass die Härtefallklausel eine Täterschutzklausel wird», sagt Föhn. Um sicherzugehen, dass die Ausschaffungsinitiative umgesetzt wird, brauche es eine verlässliche Datenbasis.

Hintergrund von Föhns Forderung ist die Verwirrung um die Ausschaffungszahlen, die das Bundesamt für Statistik im Juni veröffentlichte. Der Statistik zufolge wurden nur 54 Prozent der kriminellen Ausländer ausgeschafft. Später kam heraus, dass sich die Statistiker verrechnet hatten. «Das war ein Trauerspiel», räumt FDP-Ständerat Andrea Caroni (38) ein. Wie die Ratsmehrheit ist er gegen Föhns Vorstoss. Für verlässliche Zahlen sei es zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Ausschaffungsrechts noch viel zu früh. Zudem ist der Bund schon daran, seine Statistik zu verbessern.

Definitiv nicht geglückt ist die Integration derjenigen Ausländer, die gestern den Ständerat beschäftigten: Er lehnte einen Vorstoss von Peter Föhn (SVP, 65) ab, bei dem es um die Ausschaffung krimineller Ausländer geht.

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Hintergrund von Föhns Forderung ist die Verwirrung um die Ausschaffungszahlen, die das Bundesamt für Statistik im Juni veröffentlichte. Der Statistik zufolge wurden nur 54 Prozent der kriminellen Ausländer ausgeschafft. Später kam heraus, dass sich die Statistiker verrechnet hatten. «Das war ein Trauerspiel», räumt FDP-Ständerat Andrea Caroni (38) ein. Wie die Ratsmehrheit ist er gegen Föhns Vorstoss. Für verlässliche Zahlen sei es zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Ausschaffungsrechts noch viel zu früh. Zudem ist der Bund schon daran, seine Statistik zu verbessern.

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