Der Wahlkampf geht in die heisse Phase. Mehr als 2200 Kandidaten wollen am 18. Oktober für SVP, SP, FDP, CVP, Grüne, GLP und BDP in den Nationalrat. 35,5 Prozent von ihnen sind Frauen – so viele wie nie seit Einführung des Frauenstimmrechts. Das zeigt eine exklusive Auswertung von SonntagsBlick.
2011 lag der Anteil weiblicher Kandidaten erst bei 32,8 Prozent. Frauen sind also auf dem Vormarsch – allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen Parteien und Kantonen. Weiblichste Partei sind die Grünen. Zum zweiten Mal nach 2003 sind mehr als die Hälfte ihrer Kandidierenden Frauen (51 Prozent).
Co-Präsidentin Adèle Thorens (43) stolz: «Es ist unser aller Wille, die Ausgeglichenheit der Geschlechter zu erreichen.»
Am unteren Ende der Rangliste steht die SVP. Nur bei der grössten Partei des Landes ist der Frauenanteil im Vergleich zu 2011 gesunken. Nicht einmal jeder fünfte Listenplatz (17,9 Prozent) wird von einer Frau besetzt.
Vizepräsidentin Nadja Pieren (35) sieht darin kein Problem. «Wir schauen die Listen nicht nur aus feministischer Sicht an», sagt sie und betont: «Wir sind gegen eine Frauenquote in der Politik oder der Wirtschaft.» Nur «politisch versierte» Frauen kämen auf die Listen der SVP – und sicher «keine Quotenfrauen».
Den grössten Sprung machte die BDP. Sie steigerte ihren Frauenanteil im Vergleich zu den letzten Wahlen von 20,5 auf 33,2 Prozent. Auch die Freisinnigen haben zugelegt. Bei der FDP beanspruchen Frauen fast jeden dritten Platz – vor vier Jahren war es erst jeder vierte.
Claudine Esseiva (36), Generalsekretärin der FDP-Frauen: «Das zeigt, dass immer mehr Frauen sich die Dreifachbelastung von Karriere, Familie und Politik zumuten.» Dennoch habe die FDP viel Luft nach oben. Esseiva: «Der Prozentsatz von Frauen auf den Listen sollte noch viel höher liegen – und zwar ohne Quote!»
Wesentlich grösser ist der Anteil bei den Sozialdemokraten. Die SP-Parteizentrale hat den Kantonen einen hohen Frauenanteil verordnet, wie Co-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen (36) bestätigt. Sie wünscht sich aber auch bei der Konkurrenz generell mehr Frauen. Dass die SVP so wenige weibliche Mitglieder habe, findet sie «bedauerlich». Allerdings sei dies «das Resultat ihrer ultrakonservativen Politik, die Frauen auf die Rolle am Herd reduziert.»
Auch Wähler setzen auf Frauen
Auch die Wissenschaft interessiert sich für diese Zahlen. Der Politologe Georg Lutz (43) verfasste eine Studie zum Thema, in der er zum Schluss kommt, dass Frauen bei Wahlen nicht weniger erfolgreich abschneiden als Männer. Ein höherer Frauenanteil in den Parlamenten hänge demnach stark davon ab, dass Frauen auf die Kandidatenlisten gesetzt werden. Das ist dieses Jahr der Fall, dennoch warnt Lutz: «Ich würde noch nicht in Jubel ausbrechen.» Die Zahlen signalisierten keinen grossen Sprung, eher eine Stagnation.
«Viel wichtiger ist, wie viele Männer zurücktreten», sagt Lutz. Der Bisherigen-Bonus sei enorm. Doch auch da haben Frauen gute Chancen: Während der letzten Legislatur gewannen sie durch Rücktritte von Männern unter dem Strich fünf Sitze.
Und auch für die Wahlen sieht es gut aus: Insgesamt treten 26 Nationalräte nicht mehr zur Wahl an, davon sind 20 Männer und nur sechs Frauen. Die Chancen stehen also gut, dass im Herbst weitere Frauen gewählt werden.
Auffallend: In der «rechten» Deutschschweiz liegt der Frauenanteil auf den Wahllisten mit mehr als 37 Prozent höher als in der als «links» geltenden Romandie, die Kantone Wallis und Freiburg mit eingerechnet. Dort beträgt der Anteil der Kandidatinnen rund 32 Prozent.
Umso überraschender erscheinen deshalb die Zahlen der zwei Extremkantone: Den höchsten Frauenanteil – exakt 50 Prozent – weist mit dem Kanton Jura ein ländlich geprägter Kanton der Westschweiz auf.
Mit seinem Frauenanteil in den 90er-Jahren stehengeblieben scheinen dagegen die Wahllisten im Kanton Schaffhausen. Nur gerade 21,4 Prozent der Kandidierenden sind dort weiblich.
Das erklärt sich vor allem mit der veränderten Wahlstrategie der Grünen. Die Partei setzt dieses Jahr auf eine Zweierliste, während sie vor vier Jahren gleich 14 Kandidaten aufstellte, davon sechs Frauen. Damit bildeten die Grünen damals ein klares Gegengewicht zu den reinen Männerbünden von SVP und FDP.