Oberkulm und Unterkulm, zwei idyllische Gemeinden im Kanton Aargau. In beiden Dörfern gibt es je eine Unterkunft für Flüchtlinge, in der zurzeit hauptsächlich Eritreer leben.
Letzte Woche sagte die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (Grüne) in der «Schweizer Illustrierten»: «Dort entsteht eine Parallelgesellschaft, die sich abschottet.» Die Eritreer seien «lethargisch», hätten eine «Anspruchshaltung». Das sei für die Gemeinden «eine Belastung».
Allerdings verneinte ein grosser Teil der Einheimischen bei einem Augenschein vor Ort, dass es solch ein Ghetto-Problem gibt. (BLICK berichtete).
Und auch die Eritreer beklagen sich nicht über ihre Situation. Sie sind nach Geschlechtern getrennt untergebracht: Die Männer wohnen in Unterkulm, die Frauen in Oberkulm. Nuura (20) empfängt BLICK in ihrem Zweibettzimmer im Flüchtlingsheim. Sie ist vor sieben Monaten mit dem Flugzeug über Frankfurt (D) in die Schweiz gereist. Denn hier leben Verwandte von ihr. «Ich habe schon nicht besonders viel Kontakt mit den Schweizern», sagt sie. «Entweder bin ich in der Schule oder zu Hause. Für etwas anderes habe ich keine Zeit.»
Trotzdem gebe es keine Probleme mit den Einheimischen. «Manchmal wechseln die Leute im Zug wegen mir den Platz», sagt sie. «Das ignoriere ich einfach. Die meisten Schweizer sind aber sehr freundlich.» Nuura flüchtete, «weil mein Vater mich mit einem sehr viel älteren Mann zwangsverheiraten wollte».
Andere Frauen im Heim in Oberkulm haben Ähnliches erlebt. Medayn (35) sollte ebenfalls zwangsverheiratet werden, nachdem ihr Mann verschwunden war: «Er ist desertiert und wurde verhaftet.» Ob er noch lebt, wisse sie nicht. Ihren Sohn Mahdi (8) musste sie in Eritrea zurücklassen: «Er hätte die Überfahrt wohl nicht überlebt.»
Samira (20) ist im neunten Monat schwanger. Der Vater des Ungeborenen, ebenfalls ein Eritreer, wohne in einer Asylunterkunft in Aarau. «Es ist nicht so einfach zwischen uns.»
Seit eineinhalb Jahren lebt Samira in der Schweiz. Sie ist froh über die zehn Franken, die sie täglich erhält und mit denen sie sich unter anderem Lebensmittel kauft. Diese bereitet sie in der Gemeinschaftsküche zu.
Die Eritreerin will auf keinen Fall in ihre Heimat zurück. Sie hat Angst, dort verfolgt zu werden. Nach der Geburt des Kindes möchte sie so schnell wie möglich arbeiten. Zu den Klagen über die Eritreer sagt sie: «Unter uns gibt es gute Menschen und schlechte Menschen. So wie in jedem anderen Land auch.»