Sie ist das Enfant terrible der Schweizer Sozialdemokratie: Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (57) nutzt jede Gelegenheit, aus der Reihe zu tanzen.
Wie letzte Woche wieder. Nachdem die Kantonsregierung die Maskenpflicht in den Läden beschlossen hatte, teilte sie auf Twitter einen «NZZ»-Artikel mit dem Titel: «Für einmal wäre Nichtstun mutiger.» Es folgten weitere Äusserungen gegen den Beschluss.
Interne Konsequenzen
Mal davon abgesehen, dass jeder Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip auch ein Gesetzesbruch ist, stösst Fehr im aktuellen Fall die eigene Partei vor den Kopf. Denn die Zürcher SP hat sich früh für eine Maskenpflicht eingesetzt und trägt den Entscheid des Regierungsrates mit. Was interne Konsequenzen hatte: Die Parteispitze hat Fehr gemäss gut informierten Quellen gerüffelt und mehr Zurückhaltung auf Twitter und Co. verlangt.
Andreas Dauru (40), Co-Präsident der Kantonalzürcher SP, lässt sich auf Anfrage wie folgt zitieren: «Es ist Jacqueline Fehrs gutes Recht, hierzu eine andere Meinung zu haben. Sie überlegt sich genau, was sie macht, und hat mit ihrer Art auch schon einige Diskussionen angestossen. Aber natürlich wäre mir wohler, wenn sie sich dazu in den sozialen Medien etwas zurücknimmt.»
Auch der Zürcher SP-Nationalrat und Arzt Angelo Barrile (44) betont, ohne Fehrs Namen zu nennen: «Ich halte es für falsch, jetzt öffentlich Unsicherheit zu stiften, wie das einige Politiker und Regierungsmitglieder tun. Die Menschen brauchen in dieser Situation Sicherheit, nicht noch mehr Verwirrung.»
Barrile fordert, dass man in der Öffentlichkeit generell stärker betonen müsse, «worum es überhaupt geht: Es geht darum, das exponenzielle Wachstum des Virus zu stoppen. Dass Masken dabei eine positive Rolle spielen, ist nachgewiesen. Deshalb ist der Entscheid der Zürcher Regierung nachvollziehbar.» Natürlich müssten solche Massnahmen aber, so Barrile weiter, «laufend überprüft werden».
Wiederholt aus der Reihe getanzt
Es ist nicht der erste Sololauf von Jacqueline «Jackie» Fehr: 2016 gab ihre Idee zu reden, dass Junge in der Demokratie mehr Stimmen haben sollen als Alte.
Im März 2019 irritierte sie Freund und Feind, als sie mit Steuergeldern eine «Weltwoche»-Sonderausgabe über ihr Amt für Justizvollzug finanzierte – kurz vor den Wahlen.
Danach rügte Regierungspräsidentin Carmen Walker Späh (62) Fehr, nachdem diese öffentlich das Prozedere der Departementsverteilung kritisiert hatte.
«Fehr denkt quer», heisst ihr Blog im Internet. Mit diesem Prinzip politisiert die Winterthurerin bisher erfolgreich – sie ist nach Genosse Mario Fehr (61) das zweitbestgewählte Regierungsmitglied an der Limmat.
Längst vergessen sind die Zeiten, als ihr die SP im Bundeshaus den Fraktionsvorsitz und die Bundesratskandidatur verweigerte.
Der Höhepunkt folgt erst noch: 2021 wird die Streitbare das Amt der Zürcher Regierungspräsidentin übernehmen.