Margrethe Vestager erhält den Europapreis für politische Kultur 2017
Die Bezähmung der Hybris

2,4 Milliarden Euro: Das ist eine der ­höchsten Geldstrafen in der Geschichte. Ausgesprochen hat sie Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb. Die ­Suchmaschine Google benachteilige Konkurrenten bei der Online-Produktsuche. Die Ehrung fand im Rahmen des ­traditionellen Dîner Républicain in Ascona statt. Die Ansprache unseres Kolumnisten Frank A. Meyer in ungekürzter Form.
Publiziert: 22.08.2017 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:20 Uhr
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Margrethe Vestager zeigte als EU-Kommissarin für ­Wettbewerb den Silicon-Valley-Milliardären ihre Grenzen auf.
Foto: Eric Herchaft/Reporters/Laif
Frank A. Meyer

Vor 44 Jahren sassen hier in diesem Park 14 Gäste am Tisch. Es war die erste kleine Versammlung von Politikern, die dem Filmfestival von Locarno die Ehre gaben, denn der Sinn meiner Einladung war es: Politik und Filmkultur in Kontakt zu bringen. Im Lauf der Jahre wurden es mehr Gäste, dann noch mehr und dann noch viel mehr, sie kamen auch aus Deutschland, Frankreich und aus Österreich, sie kamen nicht mehr nur aus der Politik, sondern ebenso aus der Wirtschaft, aus der Wissenschaft, aus Kunst und Kultur. Man empfahl mir, mehrere Tische zu installieren. Ich lehnte das Ansinnen ab – obwohl es ja irgendwie auf der Hand lag. Doch ich wollte keinen Ehrentisch, der alle anderen Tische zu «Nicht-Ehrentischen» herabgemindert hätte. Ein einziger Tisch sollte es bleiben: ein Ehrentisch für alle ge­ladenen Bürgerinnen und Bürger.

Es war die Bundespräsidentin Ruth Dreifuss, die ausrief: «Mais c’est un dîner républicain!»

Seither heisst diese Gastrunde «Dîner Républicain.»

Das Dîner Républicain entspricht deshalb ganz und gar dem liber­tären Geist des internationalen Filmfestes von Locarno. Gegründet wurde es nach dem Krieg als erste freie Bühne, als erste freie Leinwand für den italienischen Film. Der Faschismus hatte die Film­kultur in Italien zerstört. Im Tessin wurde sie neu geboren – in diesem kleinen, gebirgigen Réduit der italienischen Kultur, ohne die es keine Schweiz gäbe, weil die Schweiz nur gedacht werden kann – und deshalb nur existieren kann – als Willensnation von drei gleichwertigen Sprachkulturen.

Mussolini hätte seine Hand so gerne aufs Tessin gelegt. Die Repub­lik Tessin jedoch, in der jede Ortschaft, jedes Dorf auf dem Anspruch besteht, selber eine Republik zu sein: 180 Republiken sind es insgesamt – diese selbstbewusste Republik der Republiken blieb nicht nur territorial souverän, sie blieb mit ihrem zutiefst demokratischen Geist ein vorbildhafter Teil der Schweiz.

Das Filmfestival von Locarno ist ein politisches Festival. Und dies im klassischen Sinne: Nicht das Programmatische soll die hier gezeigten Leinwand-Werke ausmachen, sondern die Kunst – im Wissen darum, dass wahre Kunst, gelungene Kunst, dem Menschen, seiner Zeit und seiner Welt am nächsten kommt.

Unser Kulturminister, Bundesrat Alain Berset, kennt sich in dieser Disziplin bestens aus, bildet doch seine elaborierte Sensibilität für Kunst die ideale Ergänzung – und Bereicherung – seiner Politik als Sozialminister und Gesundheits­minister. Deshalb fühle ich mich ­Ihnen, lieber Alain Berset, auch ganz besonders nah, wenn ich der Überzeugung Ausdruck verleihe: Nur wer die Kultur der Politik versteht, versteht die Politik. Was selbstverständlich genauso gilt für die Wirtschaft, deren kultureller Niederschlag das Wirtschaften erst über das Geldverdienen hinaus verständlich macht.

Damit, hochverehrte Frau Margrethe Vestager, wäre ich nun bereits bei Ihnen angelangt. Denn Ihnen verleihen wir hier und heute den Europapreis für politische Kultur – weil Sie auf kühne Art rechtspolitisch und wirtschaftspolitisch gehandelt haben – und somit letztlich kulturell. Sie haben der Selbst­ermächtigung von Google, von ­Facebook und von Apple die euro-pä­ische Rechtskultur entgegen­gesetzt. Und Sie haben das europäische Verständnis vom freien Wirtschaften auch administrativ durchgesetzt: mit Milliarden-Strafen – ein Triumph der europä­ischen Wirtschaftskultur!

Damit haben Sie, liebe Frau Vestager, die kalifornische Parallelwelt – man kann sie mit Fug und Recht auch Gegenwelt nennen – zur Integration in unseren europäischen Kulturraum gezwungen. Das aber ist nicht nur ein praktischer, sondern auch ein hochsymbolischer Akt, denn gerade die Unternehmen der neuen, der digitalen Dimension betrachteten unseren angestammten Kultur-Raum ja bislang als rechtsfreien Raum – frei zur Eroberung nach Belieben und nach dem Prinzip: Wo wir hinkommen, herrscht auch unser Recht. Und wir kommen überall hin!

Dieses anmassende Gebaren prägt ganz generell die Vorstellungswelt der Schöpfer virtueller Sphären. Sie verhalten sich, als seien sie die neuen Götter – und sie setzen sich auch passend zu diesem Anspruch in Szene:

Mark Zuckerberg beispielsweise will die Welt von Krankheiten befreien. Die mentale Steuerung des Menschen gehört ebenfalls zu seinen Zielen.

Wir erinnern uns alle an das süsse Bild der Zuckerberg-Familie, das dem Erdenrund die Geburt des ersten Töchterchens kundtat: im Arm von Papa Mark das Neugeborene, sein Köpfchen zärtlich gehalten von Mama Priscilla.

Josef und Maria und das Kind – die Heilige Familie!

Ja, das wundersame Geschehen im neuen Jerusalem, im Silicon Valley, erscheint in religiösem Licht. Auch einem weiteren Protagonisten dieses Götterhimmels, dem Elektro-Autobauer Elon Musk, haftet Übermenschliches an: Er plant die Kolonisierung des Planeten Mars, woselbst er denn auch sterben und begraben sein möchte, was immerhin noch ein menschliches Schicksal wäre – wenn ihm nicht Kollege Zuckerberg einen Strich durch die Rechnung macht, indem er die Welt hienieden von ­allen Krankheiten befreit.

Ein weiterer gottgleicher Zeitgenosse namens Peter Thiel zürnt den politischen Niederungen dieser Welt, die nicht die seine sein kann, will er sie doch ablösen durch künstliche Welten, also Städte, die ins Meer gebaut sind – Staaten, die ihren eigenen Gesetzen gehorchen, fernab von Demokratie und Rechtsstaat. Weltenschöpfer Thiel verabscheut beides – die Demokratie nicht weniger als den Rechtsstaat.

Was hingegen er in dieser unserer Welt schätzen würde, ist ausgestorben: das Urtier Mammut, mit dem wir alle ja aus unseren Kinder- und Jugendbüchern vertraut sind. Peter Thiel arbeitet gerade daran, das zottelige Riesenvieh aus eisigen Vorzeiten im Reagenzglas wieder zum ­Leben zu erwecken – Götter pflegen nun mal exzentrische Vorlieben.

Unsere Zukunft liegt in grenzenlos schöpferischen Händen.

Und jetzt kommen Sie, liebe Margrethe Vestager, und erklären den Weltenschöpfern, wo Gott hockt: im Gesetz der Europäischen Union.

Plötzlich wird wirtschaftliche Allmacht für die Bürgerinnen und Bürger erfahrbar: Weil Allmächtige in einem Raum Rechenschaft ab­legen müssen, in dem wir leben, der unser Lebensraum ist – unser Besitz: die Europäische Union. Die neuen «Masters of the Universe» müssen sich den Rechts-Gepflogenheiten dieses unseren Raums unterziehen, sich ihnen und damit uns anpassen.

Wir erleben die Bezähmung der Hybris!

Plötzlich ist die Europäische ­Union ein Raum, der schützt, weil er gestaltet, weil er der Globalisierung mit seinen Gesetzen Grenzen setzt. Gesetze, die über demokratische Verfahren zustande gekommen sind: legitimiert durch die Vertreter der EU-Nationen. Gesetze also, die zurückzuführen sind auf das ­politische Wirken von Bürgerinnen und Bürgern.

Könnte es sein, dass der europäische Demokratie- und Rechtsraum in einer zunehmend deregulierten Welt so etwas wie zivile Geborgenheit vermittelt?

Dieses wunderbare Europa, das wir alle ganz persönlich kennen, weil wir in der Kindheit am Strand von Cattolica Sandburgen gebaut haben, weil wir in Barcelona im Park Güell zum ersten Mal ein Mädchen küssten, weil wir am Strand von Cannes zum ersten Mal die Liebe erlebten, weil wir auf den Klippen der Kykladen­insel Sifnos revolutionäre Lieder sangen – dieses wunderbare Europa handelt zu unserem Schutz!

Europa als schützender Raum!

Ja, der Mensch braucht Räume, um zu leben: ­Lebensräume. Dazu zählt auch der nationale Raum, dem seit einiger Zeit das Absinken in die Bedeutungslosigkeit prophezeit wird – von denen, die ihre eigenen Rechtsräume, ihre eigenen Handlungsräume schaffen wollen: zur Steigerung ihrer eigenen Macht, ihres eigenen Profits – und die uns versprechen, dass diese rechtsfreien Räume dereinst ­Paradiese sein werden, auch für ­jeden Einzelnen von uns.

Wie verächtlich wird da inzwischen über die Nation hergezogen, dieses angesichts der Globalisierung von allem und jedem ja angeblich so schwache Gebilde – auch angesichts der Globalisierung des Menschen selbst, der mit dem iPhone in der Hand doch flink über sein ganz persönliches Weltnetz zu gebieten glaubt.

Was soll da noch die Nation? Wozu braucht es Dänemark? Wozu die Schweiz? Italien? Frankreich? Wozu Deutschland?

Haben wir den Stolz auf die Nation nicht längst abgetreten an ­Populisten, die diesen Stolz mit ­erschreckendem Erfolg zu ihrer politischen Währung machen?

Es gilt ja inzwischen bereits als politische Verirrung, wenn Bürgerinnen und Bürger auf ihrer Nation als Raum heimatlichen Wohlbefindens bestehen. Sie verfügen, so hört man, so liest man, so chattet man, über das falsche Bewusstsein.

Aber darf man es vielleicht auch einmal um­gekehrt sehen? Sind es nicht womöglich die Gläubigen der Globalisierung, die hier von einem falschen Bewusstsein ausgehen?

Denn was ist sie, die so eilfertig verächtlich gemachte Nation? Sie ist der Raum des Bürgertums! Sie ist der Raum, in dem die Aufklärung ihre politische und rechtliche Form gefunden hat!

Und so ist auch die Europäische Union nichts anderes als der Raum, den sich das Bürgertum mit seinen nationalen Räumen geschaffen hat, um die bedrohte Bürgerlichkeit zu bewahren. Bedroht ist sie nämlich täglich: durch Kriege in ­unmittelbarer Nachbarschaft; durch Ideologien wie den Marktradikalismus; durch religiösen Fundamentalismus wie den des historisch so fatal verspäteten Islam.

Das Bürgertum muss die Räume zurückerobern, die es geschaffen hat: die Nation und die Europä­ische Union – beides die wohl bedeutendsten geschichtlichen Leistungen überhaupt, denn sie bewahren in sich nicht nur Freiheit und Gleichheit, sie bewahren auch Brüderlichkeit in Form sozialer Strukturen, die nicht nur der ­brutal kapitalistischen Wirtschaft die gesellschaftlich unabdingbare Modernisierung aufgezwungen haben, die überhaupt erst den freien Menschen, den Citoyen und die ­Citoyenne möglich gemacht haben, ist doch nur ein freier Mensch, wer frei ist von existenzieller Angst.

Aber nicht allein der Nation und natürlich der EU wird der Untergang vorausgesagt. Auch dem Bürgertum. Also uns. Ja, uns hier. An diesem Tisch.

Wenn ich von Rückeroberung rede, dann meine ich auch die Rückeroberung des Bürgerlichen – der Bürgerlichkeit. Was aber ist das, die Bürgerlichkeit? Es ist – zuallererst – die Kultur des radikalen Denkens. Des Denkens, das an die Wurzeln geht: an die Wurzeln des Geschehens, an die Wurzeln der Probleme, an die Wurzeln der Konflikte.

Doch leider haben wir Citoyens, wir Citoyennes neben unserem Stolz auf die Nation auch den radikalen Impetus abgetreten. Zum ­einen an Rechtspopulisten, die damit lärmend Schindluder treiben, indem sie Probleme und Konflikte hemmungslos übersteigern, um sie dann ebenso hemmungslos zu bewirtschaften. Zum anderen an linke Ideologen, die sich der Einwanderung bedienen, um endlich, endlich zu ihrem Proletariat zu kommen, dem sie, wie schon immer vorgesehen, als revolutionäre Avantgarde den Weg zu weisen hoffen.

Wir haben uns daran gewöhnt, von Rechts- und Linksradikalen zu sprechen. Allein diese Wortwahl verrät schon unsere sprachliche Bewusstseinstrübung: Wir überlassen den edlen bürgerlichen Begriff «radikal», ohne es zu bemerken, Extremisten rechts und links, also Bewegungen, die Ansprüche vertreten, welche mit der bürger­lichen Tugend, zur Wurzel des ­Geschehens, der Probleme und der Konflikte vorzudringen, nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.

Radikalität ist bürgerlich – ein Urbegriff dieser wohl revolutionärsten Freiheitsbewegung. Und das meine ich ganz konkret: In der französischsprachigen Schweiz nennen sich Freisinnige immer noch «les radicaux»; und hier in der italienischsprachigen Schweiz ist das Begriffspaar «liberali e radicali» geläufig.

Die Rückeroberung dieses programmatischen Begriffs «radikal» bedeutet, dass wir Radikalität als intellektuelles Handwerkszeug auch anwenden, dass unser Denken und Reden diese Radikalität auch zum Ausdruck bringt. Dass wir das Geschehen, die Probleme und die Konflikte benennen; dass wir es laut und deutlich tun; dass wir mit Feuereifer denken, argumentieren, streiten – mitreissend ­politisieren!

Damit der Bürger uns hört. Und versteht. Damit junge Bürgerinnen und Bürger aufschrecken aus ihrer digitalen Lethargie.

Behaupte bloss niemand, so geschehe es doch schon immer. Ich erlebe die bürgerlichen Parteien, von den Sozialdemokraten über die Christdemokraten bis zu den Liberalen, in ihrer Sprache technokratisch, taktisch – und duckmäuserisch. Für Letzteres gilt dann die Ausrede: Mit ­offenem Denken und Reden über heikle und deshalb heisse Probleme betreibe man das Geschäft der rechten oder linken Extremisten. Exemplarisch dafür ist das Verhalten der Demokraten in der Flüchtlingsfrage: Nur nicht laut darüber reden. Vor allem: Bloss nicht darüber streiten!

Populisten aber sind nicht das Resultat des demokratischen Streites – sie sind das Resultat dieses bürgerlichen Wegduckens.

Der Streit ist eine weitere Ur­vokabel bürgerlichen Bewusstseins! Der Streit als konstituierendes Element der Demokratie. Wer könnte ihn gezielter, kompetenter, erfolgreicher, brillanter, kultivierter führen als die Bürgerlichen aller politischen Farben?

Streit ohne Feindschaft. Aber in solider Gegnerschaft. Den wünscht sich, den braucht die Bürgerschaft!

Der Streit benötigt einen Raum, wie wir das vom Fussball kennen, oder vom Tennis, auch von unseren Kinderspielen, die doch immer mit der Festlegung von Räumen zu tun hatten. Überhaupt ist der Raum das ursprüngliche Bedürfnis des Menschen. Des Kindes zum Beispiel, wenn es sich unter dem Tisch seinen ersten ganz persönlichen Raum – sein Haus – einrichtet, das Tischtuch zur Hauswand erklärt und Geschwistern den Zutritt verwehrt. Später ist die erste ­eigene Wohnung der Raum, der den jungen Menschen mit dem frühen Stolz der Emanzipation erfüllt. Schliesslich beschäftigt uns das Raum-Schaffen das ganze Leben lang als Sehnsucht und Utopie.

Die Gemeinde, der Kanton, das Bundesland, die Nation, die Europä­ische Union sind die Räume, in denen wir über unser privates Wohlergehen hi­naus tätig werden können – und unsere Freiheit leben.

Diese Räume sind Räume, weil sie Grenzen haben. Ist das banal? Leider nicht in einer Zeit, in der uns die Anbeter grenzenloser Macht Grenzenlosigkeit schmackhaft machen möchten: Ortlosigkeit, in der Sie Ihre ­Anarchie der Mächtigsten installieren.

Grenzenlosigkeit ist das Gegenteil von Bürgerlichkeit.

Ich weiss, Begriffe wie Diskurs und Dialog fehlen kaum je in Beteuerungen, wenn es um bürgerliche Politik geht. Ich halte die beiden so nobel tönenden Vokabeln für Dimmer, wie wir sie für Lampen haben: Sie dimmen die gleissende Beleuchtung der Probleme auf ein Halbdunkel herunter. Es lässt sich darin angenehmer, entspannter, eingeweihter, einvernehmlicher parlieren. Vor allem ohne jede Radikalität.

Mit dieser Taktik entfernt sich die bürgerliche Elite seit einiger Zeit von den Bürgerinnen und Bürgern, die gerne mitdiskutieren möchten, die danach fiebern, ihre Sorgen, ihre Anliegen, nicht zuletzt ihren Zorn deutsch und deutlich zu Gehör zu bringen. Aber weil deutsch und deutlich sich nicht mehr reimen, fehlen die Bausteine für den öffentlichen Streit: die Wörter, die Worte, die Sätze.

Das aber würde doch eigentlich zum Handwerk der Eliten ge­hören: den Bürgerinnen und ­Bürgern das Mate­rial zum demokra­tischen Streit anzubieten – nicht se­dierende Sentenzen, wie sie Regierungssprecher, Oppo­si­tionssprecher, Tagesschausprecher, Zeitungsschreiber, Professoren und Pastoren absondern.

Schweigen durch vielsagendes Nichtssagen ist auch eine äusserst perfide Herrschaftstechnik. Es suggeriert Herrschaftswissen. Der Schweigende muss über geheimes Wissen verfügen. Wie sollen Bürgerinnen und Bürger nicht gesagten Sätzen widersprechen?

Vielsagendes Schweigen – wie man diese Taktik nennt – ist bürgerfeindlich. Und den Demokraten macht es ratlos. Freudlos auch. Das gehört ja mit zur ­Ma­laise: Es fehlt die Freude am Demokratiefest – denn … müsste Demokratie nicht ein Fest sein?

Wir sitzen hier festlich zusammen. In einem wunderbar bürgerlichen Rahmen. An einer festlichen Tafel. Dieser Park, diese von markanten Gipfeln ein­gerahmte Region, dieses Hotel, die Piazza mit Europas grösster Leinwand bilden den Raum un­serer Gespräche in den nächsten 24 Stunden.

Erobern wir uns die bürgerlichen Räume, das bürgerliche Denken und die bürgerliche Sprache zurück: Demokratie und Rechtsstaat, das sind wir; unmissverständliche Sprache, das sind wir; radikales Denken, das sind wir.

Lasst uns Radikale sein!

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