Macron schlägt Anti-Fakenews-Behörde vor
Cyberkrieger nehmen Schweizer Wahlen ins Visier

Die globale Bürgerbewegung Avaaz nimmt die Wahlen in der EU und der Schweiz ins Visier. Mit einer Anti-Desinformations-Kampagne geht sie gegen Fake News und Manipulationsversuche vor.
Publiziert: 07.03.2019 um 23:06 Uhr
|
Aktualisiert: 08.03.2019 um 08:29 Uhr
1/11
Die Bürgerbewegung Avaaz plant eine Anti-Desinformations-Kampagne.
Foto: AFP
RMS_Portrait_AUTOR_1047.JPG
Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Internet-Trolle, falsche Benutzerkonten, automatisierte Twitter-Bots, organisierte Fake-News-Kampagnen: Davor fürchtet sich der französische Präsident Emmanuel Macron (41). Um die Wahlen in Europa vor ausländischen Hackerangriffen und Falschinformationen zu schützen, will er eine europäische «Agentur zum Schutz der Demokratie» ins Leben rufen. 

Doch nicht nur Macron fürchtet sich vor Manipulationsversuchen, sondern auch das Schweizer Stimmvolk. Gemäss einer Umfrage der Forschungsstelle Sotomo sind vier von fünf Schweizern davon überzeugt, dass Unwahrheiten in politischen Debatten eine immer grössere Rolle spielen. 

Fast ebenso viele sehen die sozialen Medien als Grund für die «unkontrollierte Verbreitung falscher Nachrichten». 83 Prozent orten darin gar eine Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Damit stellt sich tatsächlich die Frage, inwiefern Fake-News-Kampagnen Wahlen oder auch Abstimmungen beeinflussen oder gar entscheiden können. 

Gegen Internet-Trolle

Alarmiert ist darüber auch die globale Bürgerbewegung Avaaz. In Brasilien sei Jair Bolsonaro (63) zum Präsidenten gewählt worden, «nachdem sich grauenvolle Lügen über seinen Gegner viral auf Social Media verbreitet hatten», schreibt Avaaz auf ihrer Website. In einem Testlauf hatte Avaaz in Brasilien ein Team von sechs Spezialisten eingesetzt, um «Propaganda-Netzwerke und Fake-News-Fabriken» ausser Kraft zu setzen. 

Mit dieser Erfahrung will die Organisation nun auch in Europa und in der Schweiz in den Cyberkrieg gegen Internet-Trolle ziehen. «Unser Hauptaugenmerk liegt auf den Europawahlen Ende Mai, danach wollen wir auch auf die Wahlen in der Schweiz ein Auge haben», sagt Kampagnendirektor Christoph Schott (31) zu BLICK. 

Mit Facebook im Gespräch

Für seine Cyber-Verteidigung hat Avaaz eine Meldestelle für Desinformationen geschaffen. Mittlerweile besteht das Team aus 26 Mitarbeitern, welche Meldungen entgegennehmen, überprüfen und bei den entsprechenden Stellen – wie etwa Facebook – direkt Druck für Korrekturen machen. Die jeweiligen Erkenntnisse sollen dafür – in Anlehnung an Enthüllungen wie die «Panama Papers» – in einer Art «Disinformation Papers» veröffentlicht werden.

«Es gab bereits mehrere Treffen mit Facebook und anderen Plattformen», so Schott. Grundsätzlich seien diese offen dafür, mehr gegen Falschinformationen zu unternehmen. «Das reicht aber aktuell bei weitem noch nicht aus, um die Flutwelle an Fake News aufzuhalten, die wir kommen sehen», so Schott.

Zudem zählt Avaaz auf ein breites Sympathisanten-Netzwerk. Rund 20 Millionen Menschen sind es in Europa – fast 400'000 davon in der Schweiz.

«Desinformation kennt keine Grenzen»

Doch ist die Schweiz dafür das richtige Ziel? «Desinformation kennt keine Grenzen», sagt Schott. Er verweist dabei auch auf eine Untersuchung der Fachhochschule Nordwestschweiz, die Tausende Tweets zur No-Billag-Initiative unter die Lupe nahm.

In den zwei Monaten vor der Abstimmung wurden demnach täglich bis zu 1000 automatisierte Nachrichten auf Twitter gepostet. Nur gerade 50 User bestimmten dabei mithilfe von sogenannten Bots – also Computerprogrammen, welche bestimmte Aufgaben automatisch ausführen – die Hälfte der No-Billag-Diskussion. 

Abstimmungen als «Testing Ground»

«Das ist ein guter Indikator dafür, dass auch die Schweiz von Desinformations-Kampagnen nicht verschont wird», sagt Schott. 

Bereits die Volksabstimmungen vom 19. Mai über die EU-Waffenrichtlinie und den AHV-Steuer-Deal könnten für Avaaz daher von Interesse sein. Schott: «Das könnte ein guter ‹Testing Ground› sein, um zu sehen, was wir auch bei den Europawahlen erwarten können.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?