Der Wahlkampf hat noch kaum begonnen, da lässt Filippo Lombardi (59) eine Bombe platzen: Der streitlustige Tessiner Ständerat und CVP-Fraktionspräsident geht im «Corriere del Ticino» zum Angriff über – auf die eigene Parteispitze! In einem Gastbeitrag bezeichnet Lombardi die Abwahl von Christoph Blocher (74, SVP) aus dem Bundesrat 2007 als Fehler. «Diese Operation ist von unseren Chefs, Urs Schwaller und Christophe Darbellay, zusammen mit den Sozialisten und Grünen vorbereitet worden», so Lombardi. Die Bundesversammlung wählte schliesslich Eveline Widmer-Schlumpf (59, BDP) in die Regierung.
Lombardi plädiert nun vehement dafür, dass die Volkspartei wieder mit zwei Sitzen im Bundesrat vertreten ist. Der Parteipräsident reagiert verärgert auf die Attacke seines Tessiner Kollegen. «Das entspricht nicht der Parteimeinung», lässt Darbellay (44) aus den Ferien verlauten. «Diese Sache wird noch zu reden geben.»
Darbellays Missmut ist verständlich: Die Abwahl Blochers war zu grossen Teilen sein politisches Meisterstück – und sicherte der politischen Mitte, gemeinsam mit der Linken, während acht Jahren eine Mehrheit im Bundesrat.
In der CVP ist man sich einig, dass der Tessiner seiner Partei mit diesem Artikel geschadet hat.
«Das tut unserer Partei nicht gut», sagt die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (51). Sie verstehe nicht, warum Lombardi diesen Beitrag geschrieben habe. «Solche Alleingänge kurz vor der intensiven Phase des Wahlkampfes sind nicht gut. Wir müssen uns in der Partei absprechen», so Schneider-Schneiter. Auch der Bündner Nationalrat Martin Candinas (34) wurde von Lombardi «völlig überrascht». Man habe 2007 gute Gründe gehabt, Eveline Widmer-Schlumpf zu wählen, so Candinas. Vor den nächsten Bundesratswahlen müsse die CVP erst einmal wissen, ob Widmer-Schlumpf überhaupt noch antrete. Doch Candinas macht schon mal klar: «Ein Bündner bleibt ein Bündner. Und unterstützt Bündner.»
Die CVP-Fraktion ist konsterniert. Die Parlamentarier spekulieren über die Motive für Lombardis Attacke. Manche mutmassen, er würde sich bereits die notwendigen Stimmen der SVP für eine spätere, eigene Bundesratskandidatur sichern. Andere vermuten, dass Lombardi die BDP-Bundesrätin schon frühzeitig, vor den Parlamentswahlen im Oktober, zum Rücktritt bewegen wolle. Filippo Lombardi war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.