Dass Schweizer Linke in Bern demonstrieren ist keine Seltenheit. Für höhere Löhne, mehr Kündigungsschutz oder die Gleichstellung der Geschlechter gehen SP, Grüne und Gewerkschaften oft und gerne auf die Strasse.
Gestern aber trauten viele ihren Augen nicht. Prominente linke Politiker demonstrierten vor der EU-Botschaft. Gegen jene EU, der viele von ihnen am liebsten noch heute beitreten möchten! Der Sinneswandel hat mit der EU-Politik gegenüber Griechenland zu tun.
Bei dieser handle es sich «im besten Falle um aktive Sterbehilfe», schrie SP-Nationalrat Cédric Wermuth ins Mikrofon. Und folgerte: «Faktisch ist sie aber eher Beihilfe zum Meuchelmord». Das dürfe die Linke nicht zulassen. «Mittlerweile hat sogar der IWF eingesehen, dass es nicht ohne Schuldenschnitt geht.» Das sei offene Kritik an den EU-Institutionen.
Der Aargauer bezeichnet sich weiterhin als «dezidierten Pro-Europäer» – genau deshalb wehre er sich. Denn für ihn ist klar: «Merkel und Hollande machen Europa kaputt.»
Zusammen mit Jo Lang, dem Vizepräsident der Grünen, hat er deshalb ein Solidaritätskomitee gegründet und die Demo organisiert. Rund 150 Personen seien ihrem Aufruf gefolgt, sagt Wermuth.
Dem Stellvertreter des Schweizer EU-Botschafters Richard Jones luden die Demonstranten einen Abfallsack auf die Schultern – er soll Griechenlands «illegitime» Schulden darstellen.
Diese könnten die Hellenen nie zurückzahlen, sagte Jo Lang. Die grosse Gefahr für die europäische Einigkeit seien aber nicht Tsipras und seine Genossen, sondern «der deutsche Standort-Nationalismus.»
Die Euro-Gruppe verfüge über «keine demokratische Legitimation», wetterte der Historiker. Dass sie nun den Griechen vorwerfe, dass ihre Abstimmung nicht ihren demokratischen Standards entspreche, findet er absurd.
Eine Fortsetzung der linken Kritik ist sicher – auch nach dem «Greferendum».