Es sind bewegende Bilder aus dem Stade de Suisse: Die Young Boys gewinnen gegen Luzern und sind Schweizer Meister. Nach 32 Jahren. Spieler brechen schluchzend zusammen. Fans entern das Spielfeld, bestürmen ihre Helden, begraben diese unter sich. Sekunden nach Abpfiff ist der Platz mit Menschen geflutet. Trophäenjäger zerlegen das Tornetz, Jugendliche klettern auf die Torlatte. In Bern konnte eine lange und lang ersehnte Nacht beginnen.
Aber nicht alle stimmen die Jubelszenen vom 28. April euphorisch. Die Liga ist nicht amüsiert. Der Platzsturm wird für die Young Boys ein Nachspiel haben. Die Disziplinarkommission der Swiss Football League (SFL) hat deswegen ein Verfahren eingeleitet, wie die Liga gegenüber SonntagsBlick bestätigt.
Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit
YB als Gastgeber wird erklären müssen, wie es zum Platzsturm kommen konnte und ob dieser allenfalls hätte vermieden werden können.Was die allfälligen Sanktionen angeht, so ist die Liste lang. Dass die Kommission YB mit einer Forfait-Niederlage belegt, ist aber unwahrscheinlich. Aufatmen beim Berner Anhang: Der Meistertitel ist YB sowieso nicht mehr zu nehmen, zu gross ist der Punktevorsprung auf den FC Basel.
Zum Strafenkatalog gehören auch Spiele unter Ausschluss des Publikums, sogenannte Geisterspiele. Es ist die Höchststrafe für die Klubs, wenn sie am Spieltag keine Einnahmen haben. Am häufigsten werden aber Geldstrafen ausgesprochen.
Bei Fragen zu den Sanktionen hält sich die Liga bedeckt. «Die Swiss Football League hat ein Verfahren eröffnet», sagt Liga-Sprecher Philippe Guggisberg. Man lasse die unabhängige Kommission nun arbeiten. Vergleichbare Vorfälle seien bisher mit Bussen bestraft worden.
YB will sich momentan nicht äussern
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich letztes Jahr in Basel. Fans des FC Basel verabschiedeten sich auf dem Platz mit einem Transparent von ihrem damaligen Präsidenten Bernhard Heusler. Für diese unerlaubte, aber friedliche Aktion gabs von der Liga eine Busse von 15000 Franken. Für den Klub ein Butterbrot.
Vier Wochen hat die Disziplinarkommission unter Präsident Daniele Moro Zeit, um zu entscheiden. Gegen das Urteil können die Young Boys innert fünf Tagen Rekurs einlegen. YB will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zum Fall äussern, wie es auf Anfrage heisst.
Der Schiri pfeift wieder
Wie Recherchen zeigen, kam es beim Platzsturm zu einer unschönen Szene: Schiri Stephan Klossner pfiff ab und hätte Weltrekord-Sprinter Usain Bolt sein müssen, um sich rechtzeitig vor den Fans in die Garderobe zu retten. Nach wenigen Metern geriet er auf Höhe der Mittellinie in einen Fan-Pulk. «Ich bin vom Platz gerannt. Von überallher kamen Zuschauer. Ich war alleine, Securitas waren keine in der Nähe», sagt er auf Anfrage.
Es war der Moment, in dem sich der bisher nicht öffentlich bekannte Vorfall ereignete. Der Schiedsrichter wurde auf dem Platz von einem heranrennenden Fan angegangen. «Es ist etwas vorgefallen», bestätigt Klossner auf Anfrage. Er habe in seinem Bericht einen Vorfall mit einem Fan rapportiert. Weil es sich um ein laufendes Verfahren handle, dürfe er dazu nicht mehr sagen.
Die Liga bestätigt auf Anfrage ebenfalls einen «Fan-Vorfall». Eine «Schubser-Szene» werde nun von der Disziplinarkommission untersucht, so Philippe Guggisberg.
Stephan Klossner pfiff seither wieder Spiele. Er versichert, es gehe ihm gut. Und die «Begegnung» nahm immerhin ein versöhnliches Ende. Denn der Fan hat sich mittlerweile beim Schiedsrichter entschuldigt, wie dieser bestätigt. Die Entschuldigung habe ihn via YB-Sekretariat erreicht.