Lieber Stau als Autobahn-Ausbau
Sechs Gründe, warum die Autobahn-Vorlage durchgefallen ist

Die Schweiz gilt als Land der Autofahrer. Trotzdem lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nun den Autobahn-Ausbau ab. Wie konnte es so weit kommen?
Publiziert: 24.11.2024 um 16:35 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2024 um 17:50 Uhr
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Sein Einsatz brachte nicht den gewünschten Erfolg: Albert Rösti gab 20 Interviews im Vorfeld der Abstimmung.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Autobahn-Vorlage abgelehnt trotz Röstis Einsatz
  • Frauen und Klimabedenken spielten wichtige Rolle
  • Die SVP konnte ihre Basis nicht vollständig überzeugen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Albert Rösti hat Gas gegeben. Der SVP-Bundesrat fuhr durch das ganze Land, um für die Autobahn-Vorlage zu kämpfen. Er setzte sich sogar selbst hinter das Steuer seiner Staatslimousine. Der Chauffeur nahm hinten Platz, damit Rösti vor Journalisten für die Vorlage werben konnte.

Tatsächlich musste Albert Rösti in dieser Abstimmung voll auf das Gaspedal drücken. Lange stand die Abstimmung auf der Kippe. Mehr als 20 Interviews gab Rösti, doch die Vorlage ging dennoch bachab. Der Berner Bundesrat kassierte seine erste Niederlage an der Urne.

Einst wäre ein Ja selbstverständlich gewesen

Vorbei ist die Zeit, als die Schweizerinnen und Schweizer den Autobahn-Ausbau nicht hinterfragt haben. Auch die millionenteure Kampagne half nicht.

Wie kam es dazu, dass das Autoland Schweiz Nein zu neuen Autobahnen sagte? Diese Punkte haben das Resultat beeinflusst:

Verlust von Kulturland

Widerstand gab es nicht nur von links. Auch Bauern hatten ein ungutes Gefühl, weil viel Ackerland zubetoniert wird. Bei Zweiflern dürfte das Gegner-Argument verfangen haben, dass die Autobahnen bald wieder überlastet sein könnten. Weshalb soll man Land verbauen, wenn das Problem langfristig nicht gelöst wird?

Zuwanderungsrhetorik

Seit Jahren wiederholt die SVP, dass die Zuwanderung für steigende Mietpreise oder verstopfte Strassen mitverantwortlich sei. Um Stau zu verhindern, will ein Teil der SVP-Wähler heute nun offenbar lieber die Zuwanderung begrenzen – und nicht neue Strassen bauen. Mit ihrer Zuwanderungsrhetorik kam sich die SVP im Kampf für den Autobahn-Ausbau nun selbst in die Quere.

Frauen

«Frauen sind gegen den Autobahn-Ausbau», «Frauen lehren Autobahn-Rösti das Fürchten»: So titelten die Medien. Tatsächlich haben Umfragen im Vorfeld gezeigt. Die Frauen sind skeptischer als die Männer, wenn es um den Autobahn-Ausbau geht.

Klima

Die grüne Welle ist abgeebbt, das Klima steht nicht mehr so stark im Fokus der nationalen Politik wie vor wenigen Jahren. Doch die Abstimmung hat gezeigt, dass das Klimathema nicht von der Agenda verschwunden ist. Es ist ein Kernanliegen links-grüner Kreise, das zur Mobilisierung beitragen kann.

Benzinpreis

Das eigene Portemonnaie spielt eine Rolle im Abstimmungskampf. Im Juni 2021 scheiterte das CO2-Gesetz, auch wegen der Angst vieler Schweizerinnen und Schweizer vor höheren Benzinpreisen. Nun kam wieder das Argument auf, der Strassenbau könnte zu einem höheren Benzinpreis führen. Bundesrat Albert Rösti und die Befürworter widersprechen dem zwar. Gewirkt haben könnte das Argument dennoch.

Einzelkämpfer Rösti

Bundesräte sollten informieren, nicht Abstimmungskampf betreiben, heisst es. Doch es war vor allem Albert Rösti, der für die Vorlage weibelte. FDP-Präsident Thierry Burkart war der einzige bürgerliche Parteipräsident, der ihm durchwegs zur Seite stand. SVP-Präsident Marcel Dettling drehte erst gegen Ende des Abstimmungskampfes auf, Mitte-Präsident Gerhard Pfister war kaum zu vernehmen.

In Röstis Umfeld ist man offensichtlich nicht nur darüber enerviert, sondern auch über den Kanton Zürich: Dieser würde beim Autobahn-Ausbau erst in einem späteren Schritt berücksichtigt. In den Abstimmungskampf schickte sich die Zürcher Regierung nicht wirklich. Rösti selbst reiste ins Zürcher Oberland und erklärte, dass man dafür sein müsse, wenn man als nächstes profitieren wolle.

Rösti selbst nennt drei Gründe

Rösti selbst nannte drei Gründe, als er am Sonntagabend vor die Medien trat und die Niederlage erklärte. Offensichtlich sei es nicht gelungen, der Bevölkerung den Nutzen aufzuzeigen, insbesondere in den Regionen, in denen keine Projekte geplant waren. Zweitens sei das Paket wohl zu umfangreich gewesen. Und drittens dürfte die Diskussion um die Sanierung des Bundeshaushaltes «einige, wohl auch wachstumskritische Bürger von einem Ja zur Vorlage abgehalten haben».

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