Letzten Monat touchierte noch ein selbstfahrendes Mini-Postauto einen parkierten Lieferwagen, doch Experten sind sich einig: Die Schweizer Strassen gehört bald den selbstfahrenden Autos. Nur, wo sollen diese fahren? Auf den Pannenstreifen, geht es nach Verkehrsministerin Doris Leuthard. Momentan würden sie dies diskutieren, sagte sie in einem Interview mit der Aargauer Zeitung. «Das wäre eine wirksame und kostenlose Förderung der neuen Technologie», sagt sie weiter.
Federführend soll dabei die SBB sein: «Wenn es unsere Unternehmen nicht machen, kommt eine ausländische Firma», so die Bundesrätin und sie verweist auf die Plattformen Uber oder booking.com, welche die Welt der Mobilität umgekrempelt haben. Grosse Verkehrsunternehmen müssen bei neuen Entwicklungen dabei sein, sonst würden sie abgehängt werden, sagt sie gegenüber der Zeitung.
SBB als Taxiunternehmen
Bei der SBB sind die bundesrätlichen Aussagen nichts neues, wie die Zeitung berichtet. Schon seit längerem würde sich die SBB auf diese Aufgabe vorbereiten. CEO Andreas Meyer erwähnte oft, dass sein Unternehmen die ganze Mobilitätskette anbieten müssen: Vom Fernverkehr über die S-Bahn bis zum kleinen selbstfahrenden Fahrzeug, das eine oder mehrere Personen an der Haustür abholt und wieder absetzt.
Nicht alle teilen aber Leuthards Enthusiasmus, besonders bürgerliche Politiker fühlen sich über den Fuss gefahren. «Der Staat soll sich raushalten. Es reicht, wenn er für einmal nicht innovationshemmend agiert und die Gesetzgebung so anpasst, dass Haftungsfragen geklärt sind, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall verursacht», kritisiert SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Auch der Aargauer FDP-Nationalrat Thierry Burkart stört sich am Plan der SBB: «Sobald selbstfahrende Autos Marktreife erlangt haben, werden private Unternehmen diesen Service anbieten. Es ist daher nicht nötig, dass unser staatliches Bahnunternehmen in das Taxi-Gewerbe einsteigt.»
Pannenstreifen-Idee auf dem Abstellgleis
Aber auch die Pannenstreifen-Idee findet nicht nur Freunde. «Stellen Sie sich vor, ein Elektroauto fährt mit 120 km/h auf dem Pannenstreifen und trifft auf ein abgestelltes Auto, das auf den Abschleppdienst wartet», argumentiert Burkart, Vizepräsident des TCS und der Lastwagenunternehmer und SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner legt nach: «Einzig die perfekt organisierte, private Auto-Strassen-Hilfe garantiert, dass Unfall und Pannenauto sofort von der Autobahn wegkommen.» Generell dürften selbstfahrende Autos keinerlei Privilegien gegenüber dem Individualverkehr erhalten.
Unterstützung bekommt die Magistratin aus den Reihen der Grünliberalen. Nationalrat Jürg Grossen geht die Idee Leuthards gar zu wenig weit – er liesse jegliche Autos mit mehr als einem Insassen auf dem Pannenstreifen fahren. «Elektro- und selbstfahrende Autos werden sich schneller auf breiter Front durchsetzen, als es viele wahrhaben wollen», sagt der elektroautofahrende Berner. Auch SP-Nationalrat Thomas Hardegger unterstützt die Pläne der SBB. «Öffentliche Verkehrsbetriebe müssen diesen Dienst zur Vervollständigung der Mobilitätsketten anbieten», sagt er. (shu)