Leuthards Ausbaupläne für die Bahn fahren vielen schlecht ein
Zürich profitiert, Restschweiz protestiert

Der Bundesrat will bis 2035 das Schweizer Bahnnetz ausbauen. Profiteur ist vor allem der Grossraum Zürich. Aus anderen Regionen hagelt es Kritik.
Publiziert: 29.09.2017 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:54 Uhr
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Knotenpunkt Zürich im Blick: Bundespräsidentin Doris Leuthard informiert über den Ausbauschritt der Bahninfrastruktur 2030/35. (KEYSTONE/ Peter Schneider)
Foto: Keystone
Sermîn Faki und Bastian Heiniger

Verkehrsministerin Doris Leuthard (54) will bis 2035 das Bahnnetz der Schweiz ausbauen. Profitieren wird vor allem der Grossraum Zürich. Von den 11,5 Milliarden Franken, die der Bundesrat vorschlägt, gehen sechs an den Zürichsee.

Alle drei Grossprojekte kommen der Metropolregion zugute: der Brüttener Tunnel zwischen Dietlikon und Winterthur, der Ausbau des Zimmerberg-Basistunnels zwischen Zürich und Zug und die Erweiterung des Bahnhofs Stadelhofen. Allein Letzterer wird etwa eine Milliarde kosten.

Viertelstundentakt ab Zürich

Auch von den geplanten Takt-Erhöhungen profitieren die Zürcher: Zum Beispiel jene, die nach Bern, Zug oder Richtung Frauenfeld pendeln. Sie dürfen sich über einen Viertelstundentakt freuen. Nach Basel und Luzern soll es einen Halbstundentakt geben. Und auf dem Zürcher S-Bahn-Netz stehen ebenfalls dichtere Fahrpläne in Aussicht.

Kein Wunder, hat man in der Limmatstadt Freude: «Im letzten Ausbauschritt ist Zürich leer ausgegangen», sagt Regierungsrätin Carmen Walker Späh (59, FDP). Zürich habe eine Durststrecke vor sich, «weshalb wir dankbar sind für die Ausbauschritte.»

Lötschberg-Lobby ist genervt

CVP-Nationalrat Thomas Egger (VS).
Foto: zVg

Vertreter anderer Regionen sehen das anders. Besonders zu reden gibt, dass der Ausbau des Lötschberg-Basistunnels, der Bern mit dem Wallis verbindet, mindestens acht Jahre aufgeschoben wird. «Völlig unverständlich», findet das der Walliser CVP-Nationalrat Thomas Egger (50). «Damit wird das Versprechen eines Vollausbaus der Nord-Süd-Achse gebrochen», schimpft er.

Zudem sei die Strecke Bern–Brig seit Eröffnung voll ausgelastet. «Der Lötschberg muss unbedingt ins Paket», fordert Egger. Und kann dabei auf die Unterstützung so unterschiedlicher Partner wie der Berner SP-Verkehrsdirektorin Barbara Egger-Jenzer (61) und dem SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (63) zählen. Der findet den Lötschberg-Ausbau «unerlässlich» für den Transitverkehr.

Auch Aargau und Zentralschweiz grollen

SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner (AG).
Foto: Patrick Luethy/EQ Images

Apropos Transit: Sein Heimatkanton Aargau kommt für Giezendanner ebenfalls zu kurz: «Der Transitkanton der Schweiz bleibt wieder einmal auf der Strecke», sagt der Fuhrhalter.

Auch die Zentralschweiz grollt. «Wieder einmal wird alles in die Mittelland-Linie zwischen Zürich und Genf gesteckt, während der für die Nord-Süd-Achse wichtige Bahnhof Luzern nicht berücksichtigt wird», ärgert sich SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (58). Die Zentralschweiz gerate so aufs Abstellgleis. 

Verkehrsministerin Doris Leuthard will das so nicht gelten lassen. Man baue dort aus, wo es die grössten Engpässe gebe: «Es ist nun mal die Realität: Im Grossraum Zürich und am Arc lémanique leben und pendeln am meisten Menschen.»

Zweiter Schwerpunkt Genfersee

Damit nennt sie gleich den zweiten grossen Profiteur des Ausbauschritts: Auch zwischen Lausanne und Genf sollen künftig pro Stunde acht Regionalexpresszüge verkehren. Leuthard gab zudem zu bedenken, dass allen geholfen sei, wenn die Ost-West-Achse gut ausgebaut sei.

SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (LU).
Foto: Patrick Luethy/EQ Images

Dennoch, doppelt Birrer-Heimo nach: Wenn immer nur in Zürich ausgebaut werde, schaffe das neue Probleme. «Denn mit weiteren Ausbauten kurbelt man die Nachfrage konzentriert in dieser Region an, was dann wieder zu Engpässen und dem nächsten Ausbau führt. Ein Teufelskreis.»

Behindertengerechte Bahnhöfe

Vergessen hat Leuthard die anderen Regionen aber nicht. Insbesondere Tourismusdestinationen sollen gestärkt werden. Der Ausbauschritt sieht zudem Aus- und Umbauten an zahlreichen Bahnhöfen vor. Zum einen, damit die vielen Passagiere nicht nur in den Zügen, sondern auch auf dem Perron Platz finden und längere Züge benutzt werden können.

Zum anderen, um die Bahnhöfe behindertengerecht zu machen. Bahnhofsumbauten sind unter anderem in Basel, Morges VD, Olten SO, Wädenswil ZH und Neuenburg geplant.

Höchste Eisenbahn

Ein Kommentar von Sermîn Faki, Politik-Redaktorin

Man kann den Ärger der Basler verstehen: Sie bekommen ihr «Herzstück» nicht – eine das Dreiländereck verbindende S-Bahn. Auch der Groll der Innerschweizer ist nachvollziehbar: Dass der Bundesrat Luzern mit einem milliardenschweren Bahnhofsneubau allein lässt, stellt das ganze Projekt in Frage.

Doch die Wunschliste der Kantone ist endlos – und alle Bedürfnisse kann Verkehrsministerin Leuthard nicht erfüllen. Nicht einmal mit 11,5 Milliarden Franken. Der Bund nimmt sehr viel Geld in die Hand für besseren ÖV auf der Schiene. Dass er es dort einsetzt, wo es allerhöchste Eisenbahn ist, macht Sinn: Zehntausende Pendler in den Wachstumsregionen Zürich und Genfersee werden zustimmen.

Ein Projekt, das aber sicher nochmals auf den Tisch kommt, ist der Ausbau des Lötschberg-Basistunnels ins Wallis. Hinter dieser Nord-Süd-Verbindung steht durch das Ja zur Neat ein klarer Volksauftrag. Ohne den Lötschberg-Ausbau geraten nicht nur Bern und Wallis, sondern auch Leuthards Pläne aufs Abstellgleis.

Ein Kommentar von Sermîn Faki, Politik-Redaktorin

Man kann den Ärger der Basler verstehen: Sie bekommen ihr «Herzstück» nicht – eine das Dreiländereck verbindende S-Bahn. Auch der Groll der Innerschweizer ist nachvollziehbar: Dass der Bundesrat Luzern mit einem milliardenschweren Bahnhofsneubau allein lässt, stellt das ganze Projekt in Frage.

Doch die Wunschliste der Kantone ist endlos – und alle Bedürfnisse kann Verkehrsministerin Leuthard nicht erfüllen. Nicht einmal mit 11,5 Milliarden Franken. Der Bund nimmt sehr viel Geld in die Hand für besseren ÖV auf der Schiene. Dass er es dort einsetzt, wo es allerhöchste Eisenbahn ist, macht Sinn: Zehntausende Pendler in den Wachstumsregionen Zürich und Genfersee werden zustimmen.

Ein Projekt, das aber sicher nochmals auf den Tisch kommt, ist der Ausbau des Lötschberg-Basistunnels ins Wallis. Hinter dieser Nord-Süd-Verbindung steht durch das Ja zur Neat ein klarer Volksauftrag. Ohne den Lötschberg-Ausbau geraten nicht nur Bern und Wallis, sondern auch Leuthards Pläne aufs Abstellgleis.

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