Die Steuersituation von Isabelle Moret (47) war schon im letzten Spätsommer ein Thema, als die FDPlerin für den Bundesrat kandidierte. Jetzt im Frühling keimt die Geschichte neu auf. Nationalrätin Moret soll seit zehn Jahren keine definitive Steuerrechnung mehr erhalten haben, wie der «Tages-Anzeiger» am Mittwoch schreibt.
Abzüge geben Rätsel auf
Profitiert Moret in ihrem Heimatkanton Waadt etwa von einem «aussergewöhnlich grosszügigen Steuerregime», wie die Zeitung schreibt? Die letzte definitive Steuerrechnung erhielt die studierte Juristin im Jahr 2008. Seither wurde sie nicht mehr rechtskräftig besteuert. Und erst jetzt werden die Steuerbehörden tätig.
Offenbar geben die Steuererklärungen von Isabelle Moret dem Waadtländer Fiskus grosse Rätsel auf. Als Anwältin ist Moret seit 2013 nicht mehr tätig. Heute ist sie freischaffende Rechtsberaterin mit zahlreichen Verwaltungsratsmandaten. Von ihrem Umsatz von rund 300'000 Franken ziehe Moret rund die Hälfte für die Löhne ihrer parlamentarischen Assistenten, für die Saläre ihrer zwei Teilzeitmitarbeiter sowie für Sozialversicherungsleistungen, Transport- und Hotelkosten, Büromiete und Materialkosten ab. Übrig bleiben also rund 150'000 Franken an steuerbarem Einkommen.
Wieso blieben Behörden bis jetzt inaktiv?
Erst jetzt aber werden die Steuerbehörden aktiv. Sie zweifeln diese Abzüge an. Nun verlangen sie von Moret vollständige Transparenz. Das bedeutet: Sie muss sämtliche relevanten Unterlagen offenlegen. Dass der Waadtländer Fiskus diese Unterlagen zur Klärung der Steuerrechnung erst jetzt einfordert und nicht schon früher verlangt hat, ist für Steuerexperten unerklärlich.
Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» verteidigt sich die Steuerverwaltung damit, sich an die Gesetze zu halten. Es gelte das Steuergeheimnis, Verjährungsfristen seien noch nicht verstrichen. Andere Kantone gehen in solchen komplizierten Steuerdossiers weit weniger zimperlich vor. Der Kanton Zürich beispielsweise verlangt bei Unklarheiten entsprechende Unterlagen innerhalb eines Monats. Werden die Fristen und Mahnungen nicht eingehalten, werde zwangsbesteuert.
Hunderttausende Franken an geschuldeten Steuern
Im Fall von Moret fand keine Zwangsbesteuerung statt. Die Trennung von ihrem Ehemann vor drei Jahren erschwert die Berechnung der Steuerrechnung zwar zusätzlich. Abzüglich der geleisteten Akontozahlungen sei aber dennoch ein geschuldeter Steuerbetrag in der Höhe von mehreren Hunderttausend Franken offen.
Für Kritiker sieht es danach aus, dass Finanzdirektor Pascal Broulis (52) seine Parteifreundin mit Samthandschuhen angefasst haben könnte. Der FDP-Mann hat derzeit selbst Ärger wegen Steuern. Broulis entrichtet seine Steuern nämlich im steuergünstigen Sainte-Croix, weil er dort ein Haus besitzt. Mit Frau und Kind wohnt Broulis allerdings in der Kantonshauptstadt Lausanne. (duc)